Theorie der sozialen Reproduktion: Zurück zu (welchem) Marx?

Issue: 160

Sheila McGregor

International Socialism 160, London, Herbst 2018 aus dem Englischen Rosemarie Nünning.

In Universitätskreisen und in der radikalen Linken war die Diskussion über Unterdrückung lange Zeit beherrscht von der Privilegien- und der Intersektionalitätstheorie.1 Mit der Niederlage der Arbeiterbewegung Ende der 1970er Jahre wurden klassenorientierte Analysen aufgegeben und es entstand “die relative Isolation, die so viele von uns empfanden”, wie Lise Vogel schrieb.2 Die Privilegientheorie betonte die Benachteiligung, die aus der Unterdrückung zum Beispiel als schwarze Frau mit körperlicher Beeinträchtigung im Gegensatz zu einem nicht behinderten Mann entsteht. Letztere wurden aufgefordert, diesen relativen Vorteil als “Privileg” oder “Nutzen” anzusehen, weil er das Leben einfacher macht. Die Intersektionalitätstheorie beschäftigt sich mit der Frage, wie Individuen durch mehrfache Unterdrückung geprägt werden, wobei Klasse nur als eine weitere Unterdrückung betrachtet wird.3 Keiner dieser Ansätze bietet sich für die Schlussfolgerung an, dass der Kampf zur Beendigung der Unterdrückung untrennbar verknüpft ist mit der Selbstemanzipation der arbeitenden Klasse, oder dass Arbeiterinnen und Arbeiter in der Lage sind, Bande der Solidarität zu knüpfen und die sehr realen Unterschiede zwischen ihnen zu überwinden.4

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gab es jedoch neues Interesse an Karl Marx, beginnend mit den antikapitalistischen Bewegungen und verstärkt wegen der Bankenkrise von 2007/2008. Marx und sein Werk “Das Kapital” sind wieder für die Analyse von Unterdrückung in Form der Theorie von der sozialen Reproduktion (Social Reproduction Theory, SRT) wichtig geworden. Eine Reihe marxistischer Feministinnen haben sich hinsichtlich Frauenunterdrückung schon lange auf die “soziale Reproduktion” bezogen; jetzt jedoch gibt es eine neue Schicht von Menschen, die über die SRT dafür gewonnen wurden, sich mit Marx zu beschäftigen. Jeder Ansatz, die Funktionsweise von Unterdrückung in den Kontext des Kapitalismus zu stellen, ist sehr willkommen, weil damit die Diskussion über den Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft aufgeworfen wird, statt des Kampfs gegen verschiedene Unterdrückungssysteme.5 Das heißt jedoch nicht, wie betont werden muss, dass es nur „einen Kampf, den Klassenkampf“ gibt, ohne Rücksicht auf Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie und so weiter.

Ein wichtiger Schritt nach vorn

Mit diesem Artikel will ich einen Überblick über die Entwicklung der SRT geben, beginnend mit einer kurzen Übersicht über das Aufkommen marxistischer Analysen von Frauenunterdrückung mit der Entstehung der Frauenbewegung in den 1960er Jahren.6 Sodann werde ich mich etwas genauer mit Lise Vogels spezifischem Beitrag beschäftigen; ihr Buch “Marxism and the Oppression of Women” gilt als Grundlagentext für die Entwicklung der SRT-Strömung, die hier untersucht werden soll.7 Ich werde Vogels Formulierung bezüglich der Rolle der biologischen reproduktiven Fähigkeiten von Frauen hinterfragen und auch, ob ihre Annahme für Frauenunterdrückung in allen Klassengesellschaften gelten kann. Weiterhin wird es darum gehen, die neuerliche Entwicklung der SRT zu beleuchten. Dies geschieht unter Einbeziehung des Beitrags von Tithi Bhattacharya, einer der führenden marxistischen Aktivistinnen in den Vereinigten Staaten, ihrer Übernahme einiger von Michael Lebowitz’ Arbeiten über “Das Kapital” und ihrer Übertragung seines Ansatzes auf die Frage von Rassismus.8 Ich werde aufzeigen, dass Bhattacharya tendenziell die Beziehung zwischen Ausbeutung und Unterdrückung verwischt und die Bedeutung des Kampfs “am Ort der Produktion” im Gegensatz zu den sozialen Bewegungen kleinredet. Sie versucht auch Rassismus durch das Prisma der Theorie der sozialen Reproduktion zu analysieren unter Vernachlässigung anderer, sehr reicher Ansätze, wie sie anhand des Marxismus entwickelt wurden. Vieles aus der SRT hat sich bereits als hilfreich erwiesen, wenn es darum geht, Frauenunterdrückung zu verstehen, aber die Ausrichtung einiger Analysen scheinen eine Anpassung an Unschärfen hinsichtlich der Natur der Arbeiterklasse und den niedrigen Stand der Klassenkämpfe in den USA und weiten Bereichen Europas zu sein.9

Die SRT hat in vielen akademischen Kreisen Anklang gefunden. Im Jahr 2017 hat der marxistische Ökonom Ben Fine seine Ansichten in dem Aufsatz „A Note Towards an Approach Towards Social Reproduction“ beigesteuert.10 Auf der Londoner Konferenz Historical Materialism von 2017 wurde eine Sammlung von Essays zur SRT vorgestellt, herausgegeben von Tithi Bhattacharya.11 Im Januar 2018 stellten John Bellamy Foster und Brett Clark in ihrem Aufsatz “Women, Nature, and Capital in the Industrial Revolution” fest: “Der bemerkenswerte Aufstieg der ‘Theorie der sozialen Reproduktion’ in den vergangenen Jahren in den marxistischen und revolutionär-feministischen Traditionen […] hat uns geholfen, Marx (und Friedrich Engels’) Darstellung von Frauenarbeit im 19. Jahrhundert in Großbritannien neu zu bewerten”.12

Was ist “soziale Reproduktion”?

In den 1960er Jahren war es in der Frauenbewegung in Großbritannien und Deutschland (weniger in den USA) allgemein akzeptiert, dass es eine enge Beziehung zwischen dem Kampf für Sozialismus und dem Kampf gegen Unterdrückung gibt.13 Dieser praktisch-politische Ansatz gab Anstoß für wichtige theoretische Arbeiten, in denen Marxistinnen und Marxisten sowie Feministinnen, die von Marxismus beeinflusst waren, die Wurzel der Frauenunterdrückung im Kapitalismus untersuchten.

Marx selbst verwandte den Begriff der “gesellschaftlichen Reproduktion” in Bezug auf die Gesamtheit der kapitalistischen Produktionsweise, somit umfasste dieser die Produktion aller Güter und Dienstleistungen in der öffentlichen Sphäre und die Zirkulation ebenso wie die Reproduktion in der “privaten” Sphäre. Einige Theoretiker der SRT bemühen sich auch, auf die unterschiedliche Verwendung des Begriffs hinzuweisen. Johanna Brenner und Barbara Laslett schlagen eine nützliche Unterscheidung zwischen “gesellschaftlicher” und “sozialer” Reproduktion vor, wobei Erstere im Sinne der ursprünglichen Bedeutung von Marx gemeint ist und Letztere sich bezieht auf

Aktivitäten und Einstellungen, Verhalten und Gefühle und Verantwortlichkeiten, die der Erhaltung des Lebens auf täglicher Grundlage und generationsbezogen unmittelbar dienen. Es gehören dazu verschiedene Arten gesellschaftlich notwendiger Arbeit—mental, physisch und emotional—die dazu dienen, die historisch und gesellschaftlich ebenso wie biologisch definierten Mittel zur Erhaltung und Reproduktion der Bevölkerung bereitzustellen. Unter anderem beinhaltet die soziale Reproduktion, wie Nahrung, Kleidung, Obdach für den unmittelbaren Gebrauch zur Verfügung gestellt werden, wie die Erhaltung und Sozialisation der Kinder bewerkstelligt wird, wie Betreuung der Alten und Gebrechlichen organisiert ist und wie Sexualität gesellschaftlich konstruiert wird.14

Das ist eine sehr weitgehende Definition, die verschiedene Formen familiärer, staatlicher und privater Versorgung mit Obdach, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Betreuung alter Menschen umfasst und der Unterscheidung, die Fine zwischen ökonomischer und sozialer Reproduktion trifft, sehr nah kommt. Fine schreibt: “Soziale Reproduktion findet in der Welt der Familie/des Haushalts, der Zivilgesellschaft und des Staats statt und ist je nach der Art der ökonomischen Reproduktion logisch und historisch unterschiedlich gestaltet”.15

Marxisten und häusliche Arbeit

In den 1970er Jahren und Anfang der 1980er Jahre sahen eine Reihe marxistischer Feministinnen die Wurzel der Frauenunterdrückung in der häuslichen Arbeit und der Wiederherstellung (Reproduktion) der Arbeitskraft. Marx unterscheidet zwischen zwei Seiten der Ware: Eine Ware, die für jemand nützlich ist, hat einen „Gebrauchswert“, aber ebenso einen „Tauschwert“ in Bezug auf den Markt. Einige Marxisten waren der Ansicht, dass Hausarbeit oder Arbeit im Haus Gebrauchswerte schafft, aber nicht „produktiv“ im marxschen Sinne ist, nämlich mehrwert- beziehungsweise profitschaffend ist. Das heißt nicht, dass diese Tätigkeiten nicht nützlich oder gesellschaftlich notwendig sind, aber dass sie nicht in Marx’ Analyse der Quelle von Profit integriert werden können, der sich aus der Differenz dessen ergibt, was Arbeitern an Lohn gezahlt wird und was sie an Wert tatsächlich produzieren. Die Verortung der Frauenunterdrückung in der Sphäre der Reproduktion der Arbeitskraft unterschied Marxistinnen und Marxisten wie Brenner, Vogel, Maria Ramas und Chris Harman von Autorinnen wie Heidi Hartmann und Juliet Mitchell.16 Letztere, bekannt als Vertreterinnen der Theorie des „Doppelsystems“, entwickelten zwei Analysesysteme: Eins stützte sich auf Marx, indem die Ausbeutung der Arbeiterklasse beschrieben wird, das andere auf das Konzept von einem Patriarchat, um die Unterdrückung der Frau zu erklären. Sie entwickelten deshalb eine Praxis, den Kampf für Sozialismus und gegen Frauenunterdrückung getrennt zu führen—zwei Systeme, zwei Kämpfe.

Im Jahr 1984 antworteten Brenner und Ramas in der New Left Review auf Michèle Barretts Hauptargument in dem von ihr verfassten Buch: “Women’s Oppression Today”, wonach zum Verständnis von Frauenunterdrückung Ideologie als materielle Kraft gesehen werden muss.17 Sie begegneten Barrett mit einer Analyse gestützt auf ein dynamisches Verständnis von der Entstehung und Umgestaltung der Arbeiterfamilie entsprechend der historischen Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise.

Brenner und Ramas beginnen damit, dass die Entwicklung des Kapitalismus die Trennung von Arbeitsort (Produktion) und Reproduktionsort (Haushalt) mit sich brachte. Das hieß, sagen sie, dass Frauen nicht mehr Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung so einfach wie früher miteinander vereinbaren konnten. Sie denken zudem, dass die Entstehung der Arbeiterfamilie im 19. Jahrhundert nicht unvermeidlich war, sondern Folge des Scheiterns, für eine Alternative mit staatlichen Kindergärten, Wäschereien, billigen Restaurants und so weiter zu kämpfen, weshalb angesichts der Anforderungen des biologischen Reproduktionsprozesses sehr wahrscheinlich eine Familie mit Arbeitsteilung dabei herauskommen musste. Von dem Mann wurde erwartet, den Hauptlohn zu verdienen, und von der Frau, die Hauptlast der Reproduktion im Haushalt zu tragen.18

Ähnlich haben Autoren des britischen Magazins International Socialism von der “privatisierten Reproduktion der Arbeitskraft” gesprochen, einer Theorie der Familie als Ort der Frauenunterdrückung im Kapitalismus, wo “die Familie zur Wiederherstellung der Arbeitskraft für die Klasse der Kapitalisten besteht, die folglich großen Wert auf Erhaltung der Familie legt, obwohl die Reproduktion der Arbeitskraft privatisiert ist”.19

In Bezug auf das 20. Jahrhundert schreiben Brenner und Ramas:

Wir werden darlegen, dass die schnelle Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus die Grundlage für Frauen schuf, die Beschränkungen der biologischen Reproduktion abzustreifen, dass aber gleichzeitig die kapitalistischen Produktionsbeziehungen die Entwicklung hin zu echter Gleichheit beschränken. Das ist nicht nur der Fall, weil Geschlechterunterschiede “eingebettet” sind in die kapitalistischen Produktionsbeziehungen, wie Barrett argumentiert. Tatsächlich gibt es eine reale Tendenz im Kapitalismus, diese Unterschiede infrage zu stellen und zu untergraben und die Arbeiterschaft umzustrukturieren. Vielmehr ist es die Tendenz im Kapitalismus zu wiederkehrenden Krisen und der Senkung des Lebensstandards der Arbeiterklasse, die einen Bruch mit dem Familien-Haushalt-System verhindert und die Unterordnung von Frauen verfestigt.20

Lise Vogel nimmt Marx’ Analyse in seinem Werk “Das Kapital” als Ausgangspunkt und lokalisiert die Unterdrückung der Frauen in der nicht wertproduzierenden Arbeit, die in die Reproduktion der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeiterschaft fließt ebenso wie in die Versorgung derer, die aus der Arbeiterschaft ausgeschieden sind (Rentner). Zudem sagt sie: “Die Reproduktion der Arbeitskraft ist eine Voraussetzung der Produktion, denn sie erhält oder ersetzt die für die Produktion notwendige Arbeitskraft”.21 Natürlich ist ohne Produktion von Nahrung, Kleidung und Obdach die Reproduktion der arbeitenden Klasse nicht möglich. Vogel weist ähnlich wie Brenner, Ramas und Irene Bruegel darauf hin,22 dass die Arbeiterfamilie die üblichste Einheit zur Reproduktion der Arbeitskraft darstellen mag, dass es aber auch andere Möglichkeiten gibt wie Einwanderung, kollektiv gestaltete Wohnheime und Ähnliches.23

All die oben erwähnten Marxisten (und viele nicht erwähnte) stimmen darin überein, dass die Hausarbeit aus Sicht des Kapitals notwendig ist, dass die Reproduktion der Arbeiterklasse im Haushalt auf “nicht wertschaffender Arbeit” gründet und diese außerhalb des unmittelbaren Verhältnisses von Arbeit und Kapital stattfindet. Hinzu kommen zwei weitere Punkte: dass nämlich die Familie beständig dem Drang zur Akkumulation ausgesetzt ist und wie Frauen und Männer darauf reagieren. Martha Gimenez meint (wobei sie etwas irreführend von der “Reproduktionsweise” spricht): „Hinter dieser Analyse steht das Grundprinzip, dass in den gesellschaftlichen Formationen, in denen Kapitalismus die beherrschende Produktionsweise ist, die gesellschaftliche Organisation und die ökonomischen Grundlagen der menschlichen Reproduktion oder Reproduktionsweise von dem Funktionieren der Produktionsweise bestimmt wird (diese historische Grenzen für ihre Veränderlichkeit setzt)“.24 Armut, Wohnen, Arbeitsmöglichkeiten, Löhne und der das Leben der Menschen beherrschende Krisenzyklus wirken alle auf die Ausprägung der Frauenunterdrückung ein.25 Gimenez betont, dass dieses Verständnis der Beziehung zwischen der Produktions- und Reproduktionsweise,

keine Form des “Ökonomismus” oder “Klassenreduktionismus” darstellt, sondern die Wahrnehmung des komplexen Netzes von Effekten auf Makroebene auf männlich-weibliche Beziehungen, von einer Produktionsweise, deren Antrieb Kapitalakkumulation ist, statt die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen. Anders ausgedrückt: Die “gegenseitige Beeinflussung” der Produktions- und Reproduktionsorganisation zu behaupten, oder Letzterer die ursächliche Vorrangstellung zuzuweisen, heißt, die theoretische Bedeutung der überwältigenden Beweise zu übersehen, die die kapitalistische Unterordnung der Reproduktion unter die Produktion belegen.26

Brenner und Ramas sowie Harman nennen ähnliche konkrete Beispiele dafür, was das historisch betrachtet für die Reproduktion der Arbeiterklasse bedeutet. Harman schreibt: “Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Arbeiterschaft nur dann reproduziert werden, wenn die durchschnittliche Arbeiterfrau acht bis zehn Schwangerschaften austrug (in London starben im Jahr 1850 fast 60 Prozent der Kinder vor Erreichen des sechsten Lebensjahrs). Sie verbrachte also fast ihr ganzes Eheleben entweder mit Schwangerschaft oder Kinderaufzucht”.27 Ähnlich schrieben Brenner und Ramas:

Während Fabrikarbeit für Frauen höchst schädlich war, waren die Folgen für ihre Kinder verheerend, denn arbeitende Frauen konnten nicht stillen. Den Kindern die Flasche zu geben, war fast das gesamte 19. Jahrhundert lang kein hinnehmbarer Ersatz. Sterilisierungstechniken waren unbekannt und Flaschennahrung erhöhte spürbar die Kindersterblichkeit. Die einzige Alternative, eine Amme, bot sich ebenfalls für die Arbeiterklasse meist nicht an, denn die Säuglinge mussten zu oft weit entfernt wohnenden armen Frauen gebracht werden, die zu viele Kinder annahmen und nicht alle hinreichend ernähren konnten. Auch in diesem Fall war die Kindersterblichkeit recht hoch.28

Ab den 1930er Jahren, als Frauen im Zweiten Weltkrieg und danach zunehmend in die Fabrikproduktion geholt wurden, setzte der langfristige, mit Auf- und Abschwüngen durchsetzte Trend29 zu dem vermehrten Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt ein. Nach dem Krieg erlaubte es die Senkung der Kindersterblichkeit aufgrund verbesserter Ernährung und Hygiene gefolgt von neuen und zuverlässigeren Methoden der Geburtenregelung plus legalem Zugang zu Schwangerschaftsabbruch den Frauen, die Zahl der Kinder und den Zeitpunkt dafür besser zu bestimmen. Aufgrund technischer Entwicklungen kamen Geräte ins Haus, die die Last der Hausarbeit minderten. Neue Materialien machten es leichter, die Wohnung zu putzen und mit der Zentralheizung verschwand der Staub der Kohleöfen aus den Zimmern. Brenner und Ramas erklären:

Entsprechend kommerzialisierte das Kapital auf der Suche nach neuen Märkten die Reproduktion und dehnte das Spektrum an verfügbaren Gütern und Diensten, wie sie für einen akzeptablen Lebensstandard erforderlich sind, aus.30 Durch Verbilligung der Waren, die in der häuslichen Produktion benutzt wurden, und Senkung der Kinderzahl hat die kapitalistische Entwicklung die für die Reproduktion notwendige häusliche Arbeitszeit gesenkt, womit Frauen zwei Tätigkeiten nachgehen konnten.31

Harman zieht daraus richtigerweise den Schluss: “Aus Sicht der Kapitalakkumulation wurde die alte Standardfamilie sehr unwirtschaftlich. […] Die Tatsache, dass [die Frau] den ganzen Tag arbeitet, ist für das System kein Trost; ihre Arbeit könnte effizienter getan werden und sie würde für die Lohnsklaverei freigesetzt”.32 Vogel erkennt denselben Prozess bezüglich der Möglichkeit, zusätzlichen Mehrwert zu schaffen:

In dem Maße, wie Hausarbeit in einer kapitalistischen Gesellschaft in privaten Haushalten stattfindet, führt der Druck der kapitalistischen Akkumulation tendenziell dazu, den Umfang der in jedem Haushalt verrichteten Hausarbeit zu senken. Das heißt, die häusliche Komponente der notwendigen Arbeit [Hausarbeit] wird ernsthaft reduziert. Gleichzeitig können mehr Haushaltsmitglieder in das Arbeitsleben eintreten und erhöhen damit die Gesamtmenge der Lohnarbeit pro Haushalt—ein Phänomen, das der Intensivierung der Arbeit eines einzelnen Arbeiters entspricht. Kurz gesagt: Die Reduzierung der Hausarbeit schafft potenziell sowohl relativen als auch absoluten Mehrwert.33

Vieles der Arbeit zur Reproduktion der Arbeiterklasse findet nicht in der Familie statt. Ein Großteil dieser Arbeiten wird von Arbeiterinnen und Arbeitern in Betrieben wie Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen und Büros verrichtet—wie auch immer sie finanziert werden.34 Diese Art gesellschaftlicher Vorsorge ist einerseits dem Bedürfnis des Kapitals zum Beispiel nach besser gebildeten und höher qualifizierten Arbeitskräften geschuldet und den Folgen, die die Einbeziehung von Frauen in die Erwerbsarbeit hat, andererseits dem gesellschaftlichen Kampf für Gesundheitsfürsorge, Renten, angemessene Sozialhilfe und so weiter. Kim Moody schreibt in seinem Buch “On New Terrain”: “Nicht nur traten [nach 1950] mehr Frauen in die Erwerbsarbeit ein, sondern auch die von ihnen geleisteten Arbeitsstunden stiegen dramatisch an. […] Die daraus folgende Knappheit an weiblicher Reproduktionsarbeit im Haus öffnete die Tür für die marktmäßige Kommerzialisierung der Reproduktionsarbeit außerhalb der Familie”.35 Jede Analyse der sozialen Reproduktion muss eingebettet werden in die Analyse der Kapitalakkumulation und der Natur des kapitalistischen Staats. Dazu gehört auch zu untersuchen, wie der Staat in den Prozess der Reproduktion der Arbeiterklasse eingreift: durch die Familie betreffende Gesetze wie solche zur Ehe, zur Sexualmoral und so weiter, und durch Bereitstellung von Aspekten der sozialen Reproduktion. Letztere unterliegen dem Einfluss der kapitalistischen Krise und dem Druck des Klassenkampfs und sozialer Bewegungen.

Vogels Argument lautet: “In Klassengesellschaften entsteht ein Widerspruch zwischen der Tatsache, dass Frauen Kinder gebären, und dem Bedürfnis der herrschenden Klasse, sich Mehrarbeit anzueignen. Die Unterdrückung von Frauen in der ausgebeuteten Klasse entwickelt sich im Verlauf des Klassenkampfs zur Aufhebung dieser Widersprüche”.36 Ihre Erklärung, sagt sie, gilt in allen Klassengesellschaften für “die Klasse der direkten Produzenten”.37 Vogels Argument

hängt an der Beziehung zwischen Gebärfähigkeit und der Aneignung von Mehrarbeit in Klassengesellschaften. Gebärfähigkeit senkt tendenziell den Beitrag, den Frauen der untergeordneten Klasse als direkte Produzentin und Teilnehmerin an notwendiger Arbeit leisten könnten. Schwangerschaft und Stillzeiten bedeuten mindestens einige Monate reduzierte Arbeitsfähigkeit. Selbst wenn eine Frau weiterhin an der Mehrproduktion teilnimmt, kollidiert die Gebärfähigkeit bis zu einem gewissen Grad mit der unmittelbaren Aneignung der Mehrarbeit.38

Der Angelpunkt von Vogels Analyse heißt, dass die biologischen Unterschiede in der sexuellen Reproduktion notwendigerweise dazu führen, dass Frauen sich von der ökonomischen Aktivität zurückziehen und von Männern abhängig werden. Das klingt oberflächlich betrachtet unproblematisch. Schwangerschaft, Geburt und Stillen sind in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft nicht vereinbar mit der Arbeit in einem Betrieb, teils wegen der Trennung von Betrieb und Heim und teils wegen der Art und Weise, wie Schwangerschaft und Geburt heutzutage stattfinden. Das war jedoch nicht immer so, wie vielfach dokumentiert wurde. In der frühkapitalistischen Gesellschaft brachten Frauen oft während der Arbeit ihr Kind auf die Welt und nahmen ihre Säuglinge mit auf die Arbeit. Die Frage lautet, ob Vogels Analyse von Schwangerschaft und Geburt auf alle Klassengesellschaften zu übertragen ist, oder nur auf den Kapitalismus.

Nach Susan Ferguson “zählt Biologie” (biology matters) und sie verweist auf den gesellschaftlichen Aspekt der Natur des Menschen. Dabei ist ihr bewusst, dass diese Aussage Generationen von Frauen problematisch erscheinen könnte, die gegen die Vorstellung von “Biologie als Schicksal” gekämpft haben.39 Vogel diskutiert ironischerweise sogar eine angebliche Tendenz bei Marx und Engels, Aspekte gesellschaftlichen Verhaltens der menschlichen Natur zuzuschreiben, wenn sie sagt, “dass ein recht schädlicher Geist des ‘Natürlichen’ ihre Arbeit durchzieht”.40 Das überträgt sie jedoch nicht auf ihre eigene Kategorie der Gebärfähigkeit. Wir werden noch sehen, dass ihr Rückgriff auf Biologie von ihrer Ablehnung des Beitrags Engels’ zur Familie in der Klassengesellschaft herrührt.

Ist Engels relevant?

Vogel bringt eine Reihe von Argumenten gegen Engels’ Werk “Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats”41 vor, einschließlich der Behauptung, Engels’ Verwendung der zwei Ebenen—Produktionsweise und Reproduktionsweise—sei “fehlerhaft” und er gehe von einem “biologischen” Konzept der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen aus. Weil sie Engels’ Theorie ablehnt, kann sie keine klare Aussage treffen, ob es auch in Vorklassengesellschaften Frauenunterdrückung gab.42 Sie bietet auch keine Erklärung für den Ursprung der Frauenunterdrückung an. Für Engels ist der Schlüssel zum Verständnis der Frauenunterdrückung, wie mit veränderten Produktionsmethoden nicht nur ein Mehrprodukt geschaffen wird, sondern auch Klassenunterschiede entstehen. Weil aber Männer dieses Mehrprodukt schufen, beherrschten am Ende einige Männer die ganze Gesellschaft.43

Vogel greift zurück auf die radikale Wirtschaftswissenschaftlerin Paddy Quick, um eine andere Erklärung für das Bestehen von Unterdrückung zu finden.44 Mit der Ablehnung der Theorie Engels’ verrät Vogel ihre Abneigung, das Augenmerk auf die Produktivkräfte zu richten, die für unterschiedliche Produktionsweisen stehen45, und sie zeigt ihr Unverständnis dafür, warum Engels die Entstehung der Familie im Zusammenhang mit der Entstehung von Eigentum und Staat sieht:

Zunächst ist das Thema, das in “Ursprung” behandelt wird und wie der Titel schon andeutet, die Entwicklung nicht nur der Familie, sondern auch des Privateigentums und des Staats. Diese Beobachtung ist wichtig, denn daran lässt sich das beschränkte Ziel des Buchs bezüglich der Erklärung der Unterordnung von Frauen erkennen. Statt eine umfassende Analyse der Frau, der Familie und der Reproduktion der Arbeiterklasse zu geben, wird in “Ursprung” versucht, bestimmte Aspekte dieser Frage fest in einen historischen und theoretischen Kontext zu stellen.46

Mit diesen wenigen Sätzen ist eine wesentliche Differenz zwischen der Methode von Vogel (und Quick) und anderen marxistischen Autoren zusammengefasst. Aus Engels’ “Ursprung” geht deutlich hervor, dass er sich mit der Frage beschäftigt, wie Menschen ihren Lebensunterhalt beschafften, welche Werkzeuge und Materialien sie verwendeten, welche gesellschaftlichen Verhältnisse daraus entstanden und welchen Einfluss es auf die Beziehungen zwischen ihnen hatte, wenn Menschen ihre Werkzeuge und Techniken veränderten. Es scheint, dass Vogel wie Quick mit “Das Kapital” und der Frauenunterdrückung im heutigen Kapitalismus beginnen, um eine abstrakte Kategorie als Erklärung für Frauenunterdrückung anzubieten: den Geburtsvorgang und Kindererziehung und die Abhängigkeit der Frauen von Männern. Das übertragen sie dann zurück auf die Geschichte aller Gesellschaften.47 Damit befördern sie potenziell eine ungenaue und unhistorische Herangehensweise48 bei der Analyse von Frauenunterdrückung in den verschiedenen Klassengesellschaften. Marxisten werden eben des Werkzeugs beraubt zu verstehen, wie die Stellung von Frauen sich entsprechend der Produktionsweise, ihrer Beziehung zur Produktion, den sich verändernden Familienformen und der Rolle des Staats veränderte.

Wir wir uns selbst “machen”

In seinem bahnbrechenden Aufsatz “Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen” wirft Engels einen Blick darauf, wie Menschen ihr Dasein sichern, und auf die Entwicklung ihrer physischen, geistigen und gesellschaftlichen Fähigkeiten in der Evolution als menschliche Wesen.49 Marx betonte, dass Natur gesellschaftliche Natur ist, dass wir uns selbst “produzieren” und uns durch die Gesellschaft verändern.50 In “Das Kapital” Band 1 schreibt er:

Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur.51

Was und wie wir heute sind, ist Ergebnis von Tausenden Jahren der Evolution: Indem wir die äußere Natur verändern, verändern wir unablässig unsere eigene Natur—physisch, emotional und geistig. Vogel setzt voraus, dass “Geschlechterunterschiede nicht getrennt von ihrer Existenz in einem bestimmten gesellschaftlichen System bestehen”,52 die Bedeutung dieser Erkenntnis scheint sie jedoch nicht in Bezug auf die Erklärung von Frauenunterdrückung in allen Klassengesellschaften zu sehen.

Wir werden nie genau wissen, welche Erfahrung Menschen in unserer Vorgeschichte gemacht haben. Wir wissen aber, dass Männer und Frauen in egalitären Gesellschaften gelebt haben, in denen Produktion und Reproduktion eng miteinander verbunden waren und in denen Schwangerschaft und Geburt sich völlig anders gestalteten. George J. Engelmann, ein Geburtshelfer und Professor für Gynäkologie an der Postgraduiertenschule für Medizin in St. Louis, schrieb eine faszinierende, im Jahr 1883 veröffentlichte Studie über unterschiedliche Geburtspraktiken in verschiedensten Wildbeuter- und Stammesgesellschaften. Er kam zu dem Ergebnis, dass deren Lebensbedingungen eine gesunde Entwicklung des Körpers begünstigten, weshalb die Geburt kurz und relativ leicht vonstatten ging mit wenig Auswirkungen auf die Mobilität der Mutter und ihr körperliches Wohlergehen.53 Im Jahr 1965 dokumentierte Colin Turnbull ähnliche Erfahrungen mit Schwangerschaft, Geburt und Stillen bei den Wildbeuterinnen der Mbuti im Kongo.54 Keine dieser Phasen wurde bezüglich der Rolle der Frauen in ihrer Gruppe als körperliches Hindernis empfunden, noch wurden sie abhängig von der Versorgung der Männer.55

Die spezifische Fähigkeit von Frauen zur biologischen Reproduktion der Spezies ist geschichtlich geformt und nicht von Natur aus unterdrückend. Wie diese Fähigkeit in Verbindung mit Frauenunterdrückung steht, ist deshalb auch historisch zu betrachten und bedarf der Analyse, statt einfach übergangen zu werden, und sei es nur deshalb, weil Frauenunterdrückung meist auf eine unveränderliche Biologie zurückgeführt wird.

Die Biologie der Frauen, Ausbeutung und das System der Unterdrückung

Vogel macht mehrere Annahmen über die Natur der Geburt und der Kindererziehung in Klassengesellschaften. Kann ihre Analyse jedoch die sich verändernden Formen der Frauenunterdrückung in den verschiedenen Klassengesellschaften erklären? Ihr wesentliches Argument lautet, die reproduktive Rolle von Frauen beschränke ihre Möglichkeit der Teilhabe an der Produktion, weshalb “die materielle Basis der Unterordnung der Frauen in Klassengesellschaften nicht durch die geschlechtliche Arbeitsteilung an sich entsteht, sondern weil Männer die Subsistenzmittel für die Frauen in der Zeit der Schwangerschaft aufbringen”.56

Das System der Sklaverei auf den Plantagen in Nordamerika lässt sich in diese Analyse jedenfalls nicht einpassen. Angela Davis schrieb in ihrem Buch “Rassismus und Sexismus”: “Das Sklavensystem definierte die Schwarzen als Eigentum.57 Da Frauen wie Männer als profitbringende Arbeitsmittel angesehen wurden, hätten sie vom Gesichtspunkt der Sklavenhalter auch geschlechtslos sein können”.58 Frauen arbeiteten nicht nur auf den Plantagen, sondern auch als Holzfällerinnen, sie hoben Gräben und Kanäle aus, verlegten Eisenbahnschienen, bauten Uferdämme in Louisiana und wurden im Transportwesen eingesetzt, weil Sklavinnen “ein ganzes Stück mehr Profit” einbrachten als männliche Sklaven. Sie “waren billiger in der Anschaffung und im Unterhalt als die besten Männer”.59

Davis schreibt weiter: “Was die Arbeit betraf, so verdrängte die drohende Peitsche jede geschlechtsbestimmte Überlegung, so daß allein Stärke und Produktivität zählten. Das war die Gleichheit der Unterdrückung von Mann und Frau”. Hinzu kam jedoch, dass Frauen Opfer sexuellen Missbrauchs wurden, wobei Vergewaltigung “der unverhüllte Ausdruck der ökonomischen Macht des Sklavenhalters und der Kontrolle der Aufseher über die schwarze Frauen als Arbeiterin” war.60

In den Produktivitätssystemen zur Berechnung des durchschnittlichen Ertrags pro Sklave wurden Männer wie Frauen gleichbewertet und Kinder galten als Viertelkräfte.61 Schwangere oder stillende Frauen wurden von der Feldarbeit nicht befreit. Schwangere Frauen bekamen die Peitsche ebenso zu spüren wie nicht schwangere Frauen und wie Männer.62 Frauen mit Kindern taten ihr Bestes, sie trugen ihre Säuglinge auf dem Rücken, ließen sie am Feldrain liegen oder gaben sie in die Obhut kleiner Kinder oder älterer Sklaven.

Davis kommt zu dem Ergebnis:

Dieser spezifische Missbrauch der Frauen begünstigte die ruchlose ökonomische Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Die Sklavenhalter hatten einen solchen Bedarf an dieser Ausbeutung, dass sie ihre herkömmliche sexistische Haltung beiseiteschoben, es sei denn, sie nützte der Unterdrückung. […] Mehr noch: da die schwarze Frau als Arbeiterin weder als das “schwache Geschlecht” noch als “Hausfrau” behandelt werden konnte, konnte auch der Mann nicht die Rolle des “Familienoberhaupts”, geschweige denn des “Versorgers” übernehmen. Schließlich waren ja Männer, Frauen und Kinder alle in gleichem Maße die “Versorger” der sklavenhaltenden Klasse.63

Sklavinnen waren ausgebeutet und unterdrückt. Aber die Unterdrückung kann nicht mit Vogels Ansatz erklärt werden. Ein besserer Ansatz wäre es, sich anzusehen, wie Frauenunterdrückung in das Familiensystem der übrigen Sklavengesellschaft eingebettet war.64 Das Bestehen dieser Unterdrückung prägte die Art und Weise, wie Sklavenhalter und ihre Aufseher Sklavenfrauen behandelten.65

Fraglos waren auch Frauen im Mittelalter unterdrückt, aber das Wie ihrer Unterdrückung lässt sich nicht analysieren, wenn Gebärfähigkeit per se Abhängigkeit vom Mann und anhaltende Unterbrechung der ökonomischen Aktivität seitens der Frauen der ausgebeuteten Klassen bedeutet.66 Vielmehr müssen die Produktionsweise und die wirtschaftliche Rolle von Frauen in der Gesellschaft, die vorherrschenden Sitten, Gesetze und andere Faktoren differenziert untersucht werden.

In einigen Gegenden Nordwesteuropas war es üblich, erst sehr spät zu heiraten und eine Familie zu gründen (Frauen mit 24 Jahren, Männer mit 26 Jahren), und auch die ökonomische Rolle der Frauen folgte einem anderen Muster: Statt mit Einsetzen der Pubertät den Haushalt des Vaters zu verlassen und durch Heirat in den Haushalt des Ehemanns einzutreten, arbeiteten alleinstehende Frauen und Männer entweder im eigenen Haushalt oder in Diensten eines anderen Haushalts. Nach der Heirat arbeitete die Ehefrau als Teil einer wirtschaftlichen Partnerschaft mit ihrem Mann zusammen und unterstützte ihn üblicherweise bei seinem Gewerbe.

Judith Bennett zeigte dies auf in ihrer Studie von 1996 über Frauen und das Brauen von Bier, ein Gewerbe, das vor allem Frauen auf dem Land als Teil der mittelalterlichen Hauswirtschaft ausübten.67 Brauerinnen waren meist verheiratet, aber das Brauen verschaffte vor Ausbruch der Pest auch alleinstehenden Frauen und Witwen ein Einkommen: “Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts bot das Biergewerbe Haushalten sowohl von Gelegenheitsbrauern als auch nebengewerblichen Brauern eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle”.68 Bennett schreibt:

Für viele Ehefrauen war das gewerbliche Brauen eins der vielen Elemente in einer “Behelfswirtschaft”. Im mittelalterlichen Haushalt waren die Hauptaufgaben üblicherweise dem Ehemann zugewiesen und die ergänzende Arbeit fiel den Ehefrauen zu. Eine Ehefrau hatte eine Vielzahl ergänzender Verantwortlichkeiten: Sie unterstützte ihren Ehemann, wenn die Tätigkeit es erforderte (auf dem Feld, an der Werkbank oder im Geschäft); sie übernahm hauptsächlich die Verantwortung für die reproduktive Arbeit (sowohl die biologische wie die gesellschaftliche Reproduktion); und sie verfolgte eine Reihe kleiner, Einkommen generierender Aktivitäten.69

Bennett weist auf einige Faktoren hin, die Einfluss darauf hatten, ob Frauen als Bierbrauerinnen arbeiteten. War der Ehemann im Metallgewerbe oder war er Kaufmann, dann waren Frauen eher als Bierbrauerinnen tätig, weil er ihre helfende Hand am wenigsten brauchte; im Gegensatz zu den Ehemännern, die Bekleidung, Textilien, Leder und Lebensmittel für den täglichen Bedarf herstellten. Bennett meint: “Schwangerschaft, Stillen und Kindererziehung scheinen keine Rolle gespielt zu haben, das Gewerbe des Ehemannes war dagegen manchmal durchaus von Bedeutung. […] Mit anderen Worten war für die Frage, ob Frauen Bier brauten, nicht entscheidend, ob sie gerade von Schwangerschaft oder Kindererziehung befreit waren, sondern ob die anderen wirtschaftlichen Anforderungen ihres Haushalts ihnen Zeit dafür ließ”.70

Am Ende ihres Buchs lenkt Vogel den Blick von Frauenunterdrückung in der arbeitenden Klasse auf die Frage der “Gleichheit der Personen” in der Sphäre der Zirkulation:71 Die bürgerliche Gesellschaft fördert eine Ideologie formeller Gleichheit, die die ungleichen Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit verschleiert. Teile der Gesellschaft—“ethnische” Minderheiten, nationale Minderheiten, Frauen, um nur einige zu nennen—mussten immerwährend dafür kämpfen, auch nur formell gleichgestellt zu sein, und Vogel argumentiert richtigerweise, dass solche Kämpfe “von ernsthafter revolutionärer Bedeutung sein können”.72 Sie legt auch—dabei Marx folgend—dar, dass wirkliche Gleichheit in einer zukünftigen Gesellschaft bedeutet, alle Unterschiede zwischen Menschen anzuerkennen. In einer Gesellschaft, in der alle Arbeiterinnen und Arbeiter die Entscheidungen demokratisch treffen, würden die zur Verfügung stehenden Mittel dazu verwendet, die “ungleiche” Stellung von Frauen mit Kindern auszugleichen, damit diese “Ungleichheit” aufgehoben wird.73

Leider betont Vogel jedoch nicht die potenzielle Macht von Arbeiterinnen als Teil der Arbeiterklasse, weshalb sie auch Subjekt der revolutionären Veränderung sein können;74 stattdessen konzentriert sie sich auf fehlende gleiche Rechte für Frauen und eine mögliche klassenübergreifende Bewegung zur Erkämpfung der Gleichstellung.75 Sie kommt zu dem Schluss:

[…] die Behauptung, Frauenunterdrückung beruhe auf ihrer doppelten Stellung in Hausarbeit und Lohnarbeit, ist ökonomistisch. […] Dagegen bietet das Argument, dass die Unterdrückung von Frauen in ihrer doppelten Stellung hinsichtlich Hausarbeit und Gleichberechtigung wurzelt, den Rahmen sowohl für das Verständnis der Stellung der Frau in der Lohnarbeit als auch für eine Analyse, wie eine breite Frauenbewegung eine wesentliche Komponente im Kampf für den Sozialismus sein könnte.76

Als Vogel im Jahr 1983 ihr Buch verfasste, konnte sie vielleicht noch nicht absehen, in welchem Ausmaß der Spätkapitalismus in Nordamerika und Teilen Europas Frauen gleiche Rechte zugestehen und LGBT+-Leute betreffende repressive Gesetze aufheben würde, während er gleichzeitig wachsende Ungleichheit zwischen den Klassen schuf. Das hat die Spaltung zwischen Frauen in den verschiedenen Klassen unerbittlich erweitert, nicht verringert, und auf diese Weise die soziale Unterdrückung der Arbeiterinnen verstärkt. Diese müssen zum Beispiel noch mehr dafür kämpfen, Kinderbetreuung zu bekommen, was Frauen der Mittelschicht viel leichter zugänglich ist.77 Vogels Formulierung bezüglich des Aufbaus “fortschrittlicher Frauenorganisationen über die Klassenspaltung hinweg”,78 ohne die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Frauen der Arbeiterklasse zu betonen, könnte zum einen dazu führen, dass die Interessen der Arbeiterinnen denen der Mittelschichtfrauen untergeordnet werden, und zum anderen zur Entwicklung einer Perspektive, bürgerliche Rechte zu erkämpfen, ohne Klassenungleichheit zu bekämpfen. Das steht in starkem Gegensatz zu dem Ansatz, für volle demokratische Rechte zu kämpfen und gleichzeitig die unabhängige Rolle von Arbeiterinnen und Arbeitern zu betonen, sowohl wegen des gesellschaftlichen Gewichts der arbeitenden Klasse als auch, weil es unterschiedliche Klasseninteressen unter den Unterdrückten gibt.

Von Vogel zu Lebowitz

Tithi Bhattacharya ist inzwischen zu einer der bekanntesten Vertreterinnen der Theorie der sozialen Reproduktion aufgerückt. Sie hat Vogels Darstellung der Frauenunterdrückung auf die Frage von Rassismus übertragen und stützt sich dabei auf eine Analyse, die in weiten Teilen auf Michael Lebowitz’ Buch “Beyond Capital” zurückgeht.79

Lebowitz versucht Marx gegen jene zu verteidigen, die ihn für unbedeutend erklären oder seine Philosophie auf einen mechanischen Marxismus reduzieren, wie er mit Karl Kautsky und der Zweiten Internationale verbunden ist. Er argumentiert, in “Kapital” selbst gebe es ein Problem, das zu mechanischen Interpretationen führen könne, und dies erkläre bis zu einem gewissen Grad, warum die Arbeiterklasse nicht Totengräber des Kapitalismus war.80 Lebowitz versucht das zu korrigieren, indem er ein subjektives Element einführt, das seiner Ansicht nach in “Kapital” fehlt—eine Analyse des Lohns oder des “Produktionskreislaufs” aus der Sicht der Arbeiter. Er behauptet, die klassische Darstellung des historischen Materialismus aus Marx’ im Jahr 1859 verfasstem Vorwort zur “Kritik der politischen Ökonomie” führe zu einer konservativen Interpretation oder erlaube diese und sollte deshalb umgeschrieben werden.81 Marx schrieb:

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen […]. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. […] Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.82

Lebowitz’ Version lautet:

Ziehen wir also eine alternative These in Betracht—nämlich dass die Bedürfnisse gesellschaftlich entwickelter menschlicher Wesen (also in bestimmten Gesellschaften entwickelter Menschen) entscheidenden Einfluss auf den Gang historischen Wandels haben. Bestimmte Menschen entwickeln ihre Produktivkräfte und verändern ihre Produktionsverhältnisse, und sie tun dies, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. In dieser alternativen Formulierung der marxschen Theorie der Geschichte (das Primat der Bedürfnisse) kommt es zu einem gesellschaftlichen Wandel, wenn die bestehende Gesellschaftsstruktur die Bedürfnisse der von dieser Gesellschaft geprägten Menschen nicht mehr befriedigt; wenn die Produktionsverhältnisse die Entwicklung der Produktivkräfte auf eine Weise behindern, dass sie den besonderen Bedürfnissen bestimmter Menschen nicht mehr entsprechen. Im Kapitalismus ist dementsprechend das Sollen, das über das Kapital hinausdrängt, das “Entwicklungsbedürfnis des Arbeiters”.83

Marx glaubte in der Tat, dass “die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muss”.84 Indem jedoch Lebowitz “das Sollen” neben die “Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters” stellt, schafft er eine “moralische” und voluntaristische Tendenz, die bei Marx nicht zu finden ist. Marx schreibt in seiner Abhandlung über den “18. Brumaire des Louis Bonaparte”: “Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen”.85 Während es wichtig ist, nicht in die Idee von “dem eisernen Gesetz der Geschichte” zu verfallen, darf aber umgekehrt nicht in die andere Richtung überzogen werden. Das Bestehen eines fundamentalen Widerspruchs zwischen den Interessen von Kapital und Arbeit in der kapitalistischen Produktionsweise (wie Marx sagt) kann die Grundlage für den Klassenkampf sein, das heißt aber nicht, dass der offene Klassenkampf unvermeidlich stattfinden, ebenso wenig wie das Ergebnis vorherzusagen wäre.86

Lebowitz entwickelt seine Kritik anhand einer Diskussion der Bedürfnisse der Arbeiter mit Blick auf ihre eigene Reproduktion, die Grundlage für den Lohn ist, den die Arbeiter für den Verkauf ihrer Arbeitskraft erhalten. Marx folgend weist er darauf hin, dass Bedürfnisse gesellschaftlich geschaffen und abhängig sind von der Gesellschaft, in der Menschen leben—die Basis des Lohns enthält also “ein historisches und moralisches Element”, wie Marx sagt. Diese Bedürfnisse sind nicht rein gegenständlicher Natur, sondern können imaginierte sein und beinhalten die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit.87 Weiterhin liegt es in der Natur der kapitalistischen Produktionsweise, mit der Entwicklung neuer Produkte und der Schaffung neuer Märkte beständig neue Bedürfnisse hervorzurufen. Das Bestreben der Kapitalisten, ihren Luxuskonsum zu steigern, lässt auch Arbeiter nach Neuem streben und regt entsprechende neue Bedürfnisse an.

Lebowitz identifiziert drei Ebenen von Bedürfnissen: Die erste Ebene, die “physiologischen Bedürfnisse”, besteht aus dem physischen Minimum, um Arbeiterin oder Arbeiter wiederherzustellen. Die zweite, die “notwendigen Bedürfnisse”, entspricht den “Bedürfnissen, die nach Gewohnheit und Lebensansprüchen für notwendig erachtet werden. Dazu gehören Gebrauchswerte, die ‘gewohnheitsmäßig benötigt werden’ und üblicherweise Teil der Konsumption der Arbeiter sind. Das ist die Bedürfnisebene, die dem Konzept des Werts der Arbeitskraft in ‘Kapital’ zugrunde liegt”.88 Die dritte Ebene nennt Lebowitz “gesellschaftliche Bedürfnisse”: “Das ist die Bedürfnisebene des Arbeiters als gesellschaftlich entwickeltes menschlichen Wesen zu einem gegebenen Zeitpunkt; sie stellt die oberste Grenze an Bedürfnissen nach Gebrauchswerten in Warenform dar”.89 Lebowitz kommt dann zu dem Schluss: “Die Existenz unerfüllter gesellschaftlicher Bedürfnisse liegt dem Bedürfnis der Arbeiter nach mehr Geld, ihrem Bedürfnis nach höherem Lohn zugrunde”.90

Das ist eine merkwürdige Behauptung, denn es scheint, als sei damit die Notwendigkeit für Arbeiter ausgeschlossen, für höhere Löhne zu kämpfen, um die “notwendigen Bedürfnisse”, wie er es nennt, zu befriedigen, also das Bedürfnis, die Miete zu zahlen oder den Kredit auszugleichen und genug Lebensmittel, Kleidung und so weiter zu kaufen, und es wird eine mechanische Trennung zwischen “notwendigen” und “gesellschaftlichen” Bedürfnissen eingeführt. Dies bildet jedoch die Grundlage für Lebowitz’ Entwicklung des “Produktionskreislaufs der Arbeiter” (der seiner Ansicht nach in “Kapital” fehlt) und die korrespondierende Theorie des Lohnkampfs, die im Mittelpunkt von Lebowitz’ Behauptung stehen, dass “es nicht nur Kapital für sich, sondern auch Lohnarbeit für sich” gibt.91 Er fährt fort:

Kurz gesagt, um die wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnisse zu erfüllen, die unablässig vom Kapital generiert werden, ist Kampf in die dem Kapitalisten “entgegengesetzte Richtung” erforderlich. Es gibt jedoch in “Das Kapital” keine Diskussion über den Kampf für höhere Löhne—und das kann es auch nicht geben, weil “Das Kapital” den Bedarf für einen gegebenen Standard hält, das heißt: “Für ein bestimmtes Land, zu einer bestimmten Periode jedoch, ist der Durchschnitts-Umkreis der notwendigen Lebensmittel gegeben”.92

Die Behauptung, es gebe in “Kapital” keine Erwähnung des Kampfs für höhere Löhne, ist unredlich. Marx widmete zwei Sitzungen des Generalrats der Ersten Internationale am 20. und 27. Juni 1865 der Präsentation der Argumente für die Bedeutung des Lohnkampfes. Er reagierte damit auf John Weston, einen angesehenen Vertreter der Arbeiter, der gemeint hatte, Kämpfe schadeten den Arbeitern. Marx entgegnete ihm, wollte der Arbeiter “sich damit bescheiden, den Willen, die Machtsprüche des Kapitalisten als ein dauerndes ökonomisches Gesetz über sich ergehn zu lassen, so würde ihm alles Elend des Sklaven ohne die gesicherte Existenz des Sklaven zuteil”.93 Marx fährt fort, bei den Versuchen der Arbeiter,

den Arbeitstag auf seine frühern rationellen Ausmaße zurückzuführen oder, wo sie die gesetzliche Festsetzung eines Normalarbeitstags nicht erzwingen können, die Überarbeit durch Steigerung des Lohns zu zügeln, eine Steigerung nicht nur in Proportion zu der verlangten Überzeit, sondern in größerer Proportion, erfüllen die Arbeiter bloß eine Pflicht gegen sich selbst und ihren Nachwuchs. Sie weisen bloß das Kapital mit seinen tyrannischen Übergriffen in seine Schranken zurück. Zeit ist der Raum zu menschlicher Entwicklung. Ein Mensch, der nicht über freie Zeit verfügt, dessen ganze Lebenszeit—abgesehn von rein physischen Unterbrechungen durch Schlaf, Mahlzeiten usw—von seiner Arbeit für den Kapitalisten verschlungen wird, ist weniger als ein Lasttier. Er ist eine bloße Maschine zur Produktion von fremdem Reichtum, körperlich gebrochen und geistig verroht.94

Der Kampf um die Länge des Arbeitstags ist auch ein Lohnkampf und—wichtiger noch—einer für die “menschliche Entwicklung”. Abschnitt 5, 6 und 7 des achten Kapitels des ersten Bands des “Kapitals” beschäftigt sich mit dem Kampf für den “Normalarbeitstag”, der Begrenzung auf 10 Stunden. Seinen Vortrag “Lohn, Preis und Profit” beschließt Marx damit, dass diese Kämpfe die “Gewalttaten des Kapitals” beschränken, das Lohnsystem aber letztendlich abgeschafft werden muss.95

Um zu Lebowitz zurückzukehren, baut er seinen “fehlenden” Kreislauf der “Produktion der Arbeiter” in “Das Kapital” auf, indem er mit dem Arbeiter beginnt und auf diese Weise unter der Hand das Machtverhältnis zwischen den Klassen auf den Kopf stellt:

Was sich aus der Betrachtung der Lohnarbeit ergibt, ist somit—Klassenkampf vonseiten der Lohnarbeiter. Es gibt nicht nur Kapital für sich, sondern auch Lohnarbeit für sich. Im Gegensatz zu dem Bild, das in “Kapital” präsentiert wird, gibt es hier zwei “Sollen”—nicht nur das Bedürfnis des Kapitals nach Verwertung, sondern auch die “Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters”. Es findet ein zweiseitiger Kampf statt, in dem jeder Versuch, die andere Seite in Abhängigkeit zu bringen, sich in jedem Aspekt der Beziehung von Kapital und Arbeit findet.96

Arbeiter und Kapital treffen auf dem Markt anscheinend als souveräne und gleiche Individuen aufeinander und Kapital ist abhängig von dem Kauf der Arbeitskraft, um sich selbst zu reproduzieren. Aber es handelt sich nicht um einen gleichen Tausch, denn sonst könnte das Kapital sich nicht den Mehrwert aneignen. Die Abhängigkeit des Arbeiters von der Nachfrage des Kapitals nach seiner Arbeitskraft ist größer als die Abhängigkeit des Kapitals von seiner Arbeit. Ohne Lohn können Arbeiter nicht leben, während es für das Kapital eine Vielfalt von Möglichkeiten gibt, Arbeitskraft zu kaufen, es sei denn, dass die Arbeiter ihre Macht kollektiv einsetzen, um dem ein Ende zu bereiten.

Wichtiger noch ist, dass der von Lebowitz eingeführte Kreislauf der “Produktion des Arbeiters” (was Bhattacharya übernimmt) nicht dem Produktionszyklus nach Marx zu entsprechen scheint, bei dem es um die Produktion von Mehrwert, die Ausdehnung des Kapitals geht. Sehen wir uns an, wie Marx den Unterschied zwischen “produktiver Konsumption” des Arbeiters und der “individuellen Konsumption” auffasst. “Produktive Konsumption” ist, wenn der Arbeiter Werkzeuge und Rohstoffe verwendet, die der Kapitalist gestellt hat, um Waren herzustellen, die von dem Kapitalisten verkauft werden, um den Mehrwert zu realisieren. “Individuelle Konsumption” ist, wenn der Arbeiter seinen Lohn für den Kauf dessen verwendet, was er zum Leben braucht. Sie oder er muss dann zur Arbeit zurückkehren, um den Prozess der “produktiven Konsumption” und der Kapitalexpansion fortzusetzen.97 Der genannte Kreislauf der “Produktion des Arbeiters” ist in Wirklichkeit die gesellschaftliche Reproduktion der Arbeitskraft und der Sphäre der Produktion untergeordnet, nicht gleichgestellt, wie Lebowitz es impliziert.

Lebowitz kann mit seiner These von den Schwächen in Marx’ “Kapital” nicht erklären, warum die internationale Arbeiterklasse den Kapitalismus nicht gestürzt hat. Er hat recht, wenn er mechanische Interpretationen marxscher Theorie und des “Kapitals” kritisiert. Aber eine Analyse der Frage, warum der internationale Kapitalismus immer noch besteht—gealtert, krisenanfällig und unermesslichen Schaden an Mensch und Natur anrichtend—kommt nicht umhin, den komplexen historischen Prozess zu untersuchen, der uns dahin gebracht hat. Marx dürfte wohl kaum jemals die idealistische Behauptung aufgestellt haben, dass der ausbleibende revolutionäre Kampf auf Auslassungen in seinen Schriften zurückzuführen sei. Darüber hinaus führt Lebowitz mit dem, was er selbst “dem ‘Kapital’ einschreibt”, ein einseitiges und voluntaristisches Element in Marx ein.

Bhattacharya und Lebowitz

In Tithi Battacharyas kürzlich herausgegebener Aufsatzsammlung “Social Reproduction Theory: Remapping Class, Recentering Oppression” finden sich Beiträge zu einer beeindruckenden Bandbreite von Themen von Pflegenotstand bis zu Sexualität. Es gibt vieles von Interesse in allen Beiträgen. Vogel weist in ihrem Vorwort auf etwas Wesentliches hin: “Langfristig jedoch denke ich, dass wir uns von zwei liebgewonnenen Annahmen verabschieden müssen. Die erste Annahme lautet, dass die verschiedenen Dimensionen der Differenz—zum Beispiel Rasse, Klasse und Geschlecht—vergleichbar seien; zweitens von der Implikation, dass die verschiedenen Kategorien gleichen Gewichts sind”.98 Deshalb habe SRT die Aufgabe, sich anzuschauen, wie die verschiedenen Kategorien zusammenzufügen sind.

Mir erscheint insbesondere der Aufsatz “Without Reserves” von Salar Mohandesi und Emma Teitelman interessant zu sein,99 eine historische Darstellung der Konstruktion der amerikanischen Arbeiterfamilie, und “Children, Childhood and Capitalism: A Social Reproduction Perspective” von Ferguson.100 Wenn es eine Schwäche bei der Aufsatzsammlung gibt, dann die, dass sie wenig Verbindung zu realen Kämpfen hat, abgesehen von dem letzten Beitrag von Cinzia Arruzza über den Frauenstreik des Jahres 2017. An dieser Stelle will ich mich jedoch mit Bhattacharyas Einführung und ihrem Beitrag “How Not To Skip Class: Social Reproduction of Labour and the Global Working Class”101 auseinandersetzen, der den theoretischen Rahmen für die anderen Beiträge in ihrem Buch darstellt, ebenso wie mit ihren Präsentationen auf der Konferenz Capital.150 am King’s College London im September 2017 und auf der Konferenz Marx is’ Muss 2018 in Berlin.

Bhattacharyas Ausgangspunkt lautet: “Seit Formierung der weltweiten Arbeiterklasse, insbesondere aber seit Ende des 20. Jahrhunderts, stand diese vor einer gewaltigen Herausforderung—nämlich der Frage, wie all die Spaltungen zu überwinden seien, um in tadelloser Verfassung und kampfbereit den Kapitalismus zu stürzen”.102 Sie will all denen etwas entgegensetzen, die der Arbeiterklasse absprechen, potenziell revolutionäres Subjekt zu sein.103 Ihre Hauptthese lautet: “Gemeinsam ist vielen dieser Verurteilungen [der Rolle der Arbeiterklasse] ein Unverständnis dessen, was die Arbeiterklasse wirklich ist”.104 Bhattacharyas Ansatz lautet, “die Struktur der sozialen Reproduktion” sei “der Schlüssel zum Verständnis der Arbeiterklasse”, und es sei “notwendig wahrzunehmen, dass Arbeiter auch außerhalb des Betriebs existieren”. Das wiederum bedeutet: “Die theoretische Herausforderung liegt in dem Verständnis der Beziehung zwischen dieser Existenz und ihrem produktiven Leben unter der direkten Herrschaft des Kapitalisten”. Sie behauptet: “Die Beziehung zwischen diesen Sphären wird uns wiederum dabei helfen, eine strategische Ausrichtung für den Klassenkampf zu finden”.105

Bhattacharya folgt Lebowitz in ihrer Argumentation, dass die Reproduktion der Arbeitskraft als zweiter Kapitalkreislauf angesehen werden kann. Sie schlägt vor, dass die Sphäre der Reproduktion [der Arbeitskraft] und die Sphäre der Produktion nicht als “getrennt” angesehen werden können, sondern als “vereint”.106 Damit stellt sich die Frage, was unter “Einheit” zu verstehen ist: Sind die beiden Sphären von gleichem Gewicht oder beherrscht die eine die andere? Wie zuvor argumentiert, entsprechen sich die beiden Kreisläufe nicht, weshalb diese Formulierung zu einer Konfusion zwischen Ausbeutung und Unterdrückung führen kann.

Bhattacharya entwickelt ihre Argumentation, Lebowitz’ Schema folgend, dass Kapitalismus beständig neue Bedürfnisse schaffe, deshalb der Wert der Arbeitskraft elastisch sei und nur durch den Kampf zwischen Arbeit und Kapital entschieden werden könne: “Deshalb wird die Arbeiterin aufgrund eben der Natur dieses Prozesses immer unter dem Vorzeichen des Mangels an dem, was sie braucht, reproduziert, weshalb in das Gefüge der Lohnarbeit der Kampf für höhere Löhne integriert ist: der Klassenkampf”.107 Von Lebowitz übernimmt sie, “dass das vorgefasste Ziel der Produktion” des Arbeiters “‘die Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters’ sind, wie Marx es beschrieb”.108

Bhattacharya sieht die Notwendigkeit für die Verlagerung über den Arbeitsplatz hinaus in der heutigen Schwäche der Arbeitskämpfe in der Produktion:

Zu jeden Zeitpunkt der Geschichte mag die Arbeiterklasse fähig oder nicht fähig sein, für höhere Löhne am Ort der Produktion zu kämpfen. […] Diese Kämpfe mögen außerhalb des Orts der Produktion entstehen, reflektieren aber dennoch die Bedürfnisse und Imperative der Klasse. Mit anderen Worten, wo der Kampf für höhere Löhne nicht möglich ist, können dennoch andere Kämpfe über den Kreislauf der sozialen Reproduktion entstehen.109

Sie nennt als Beispiel den Kampf gegen Wasserprivatisierung in Cochabamba und Irland, gegen Landvertreibung in Indien und für bezahlbaren Wohnraum in Großbritannien.

Wir sind uns darüber einig, dass Kämpfe dort ins Leben gerufen werden müssen, wo es möglich ist, und wir uns an Kämpfen beteiligen müssen, die andere ins Leben riefen, egal ob sie im Betrieb oder auf der Straße begonnen haben, oder ob es um betriebliche Belange oder Wohnen geht, um Wasserprivatisierung, Abtreibung, Krankenhausschließung und so weiter. Marx selbst glaubte, dass eine Massendemonstration im Jahr 1855 gegen die Beer Bill (das Schankverbot am Sonntag) den Beginn der englischen Revolution einläute.110

Leider schweigen sich Bhattacharya (und Lebowitz) aber über vieles aus. Bhattacharya untersucht nicht die Stärken und Schwächen der verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen. Manchmal kann eine Straßenbewegung ihr Ziel erreichen, so wie die Bewegungen in Großbritannien gegen Faschismus unter Führung der Anti-Nazi-Liga (ANL) und Unite Against Fascism (UAF) in den 1970er und1990er Jahren sowie Anfang der 2000er Jahre oder die Bewegung gegen die Kopfsteuer im Jahr 1990.111 Der Antikriegsbewegung Stop the War hingegen, die im Jahr 2003 bis zu zwei Millionen auf die Straße brachte, gelang es nicht, Tony Blair daran zu hindern, in den Krieg gegen den Irak einzutreten.

Wenn es um Bewegungen gegen das Kapital geht, kann die herrschende Klasse abwarten, bis die Bewegung auf der Straße zusammenbricht, wenn die Arbeiter nicht ihre kollektive Macht einsetzen, um sie herauszufordern. Der Unterschied wird deutlich zwischen dem Arabischen Frühling in Tunesien und Ägypten, wo das Engagement der Arbeiter, oder die Angst vor Arbeitskämpfen, anfänglich beide Gesellschaften in einen revolutionären Prozess stürzte, und in Syrien, wo die Arbeiterklasse nicht auf dieselbe Weise kollektiv auf den Plan trat. Die entscheidende Rolle des betrieblichen Kampfs zu betonen, hat deshalb nichts zu tun mit einer Fixierung auf einen bestimmten Typus von Arbeiter, sondern mit der Frage, wo die Macht in der Gesellschaft liegt. Natürlich hat Bhattacharya recht, dass der Lohnkampf unzureichend ist, wenn der Kampf nicht in einen Kampf gegen das Kapital selbst übergeht.

Eigenartigerweise erwähnt Lebowitz zwar Rosa Luxemburgs Kritik der Gewerkschaftsbürokratie,112 aber weder er noch Bhattacharya gehen darauf ein, wie betriebliche Bewegungen in einen erweiterten politischen Kampf übergehen können, wohingegen Luxemburg die Dynamik der Revolution in Russland von 1905 in “Massenstreik, Partei und Gewerkschaften” analysiert hat.113 Aufseiten Lebowitz’ liegt das daran, dass er die Selbstaktivität in den sozialen Kämpfen vor Augen hat, die derzeit in den Betrieben von der Gewerkschaftsbürokratie erstickt wird, und weil er meint, soziale Bewegungen seien wichtiger, weil sie sich gegen die Macht des Kapitals im Ganzen richteten.114 Bei Bhattacharya bleibt das Ziel sozialer Bewegungen offen, ebenso wie die Frage, ob diese in den Kampf für Arbeitermacht integriert werden sollten. An keiner Stelle gibt es eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und wie deren Einfluss zu bekämpfen wäre, auch nicht mit dem Einfluss reformistischer Organisationen auf die Entwicklung des Bewusstseins der Arbeiterklasse und auf den Klassenkampf. Die Konzentration auf soziale Bewegungen an sich kann auf ein Abrücken von dem Ziel einer revolutionären Bewegung hindeuten, die die Kontrolle über die Produktionsmittel übernimmt, den alten Staatsapparat zerstört und einen alternativen Arbeiterstaat errichtet.

Bhattacharya würfelt weitere Themen zusammen: nämlich wofür Arbeiter kämpfen, wie sie kämpfen und den Stand der Klassenkämpfe. Es ist wahr, dass die Organisationen der Arbeiterklasse in den USA und in Großbritannien sehr geschwächt sind. Aber wofür Arbeiter kämpfen, ist nicht einfach eine Folge der Stärke oder Schwäche der Arbeiterorganisationen, und betrieblicher Kampf heißt nicht nur Lohnkampf. Um mit dem letzten Punkt zu beginnen: Die Besetzung der Werften von Upper Clyde im Jahr 1971 zur Verteidigung von Arbeitsplätzen signalisierten einen Aufschwung der Kämpfe in Großbritannien, die geprägt waren von Lohnkämpfen, Kampf für Arbeitsplätze, gegen die Beschränkung der Tarifautonomie, gegen die Verhaftung von Anführern der Werftarbeiter ebenso wie gegen Rassismus. Frauen, auch eingewanderte, waren Teil dieses Aufschwungs an Kämpfen. Yuri Prasad hat in diesem Magazin zum Beispiel die wichtige Rolle asiatischer Arbeiterinnen dargestellt.115 Der Generalstreik in Frankreich im Jahr 1968 wurde ausgelöst durch Solidaritätsaktionen von Arbeitern mit den Studierenden angesichts des brutalen Vorgehens der Polizei. Ebenso gibt es soziale Bewegungen gegen Wasserprivatisierung, Landenteignung, steigende Mieten und Umweltvergiftung unabhängig vom Stand der Klassenkämpfe. Allerdings würde es den Charakter dieser Bewegungen verändern, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter sich stark genug fühlten, die Waffe des Streiks zur Erreichung dieser Ziele einzusetzen. Die Bewegungen in Griechenland gegen die Troika und die EU, die Syriza nach oben gespült haben, wurden eben deshalb so bedrohlich, weil sie von ausgedehnten Streikaktionen angetrieben wurden.

Revolutionäre haben keinen Dissens bezüglich der Bedeutung der sozialen Bewegungen und ihrer Themen, die Bhattacharya in den Mittelpunkt stellt. Wir sind uns auch einig, dass der Kampf für diese Fragen im weiten Sinne Klassenkampf ist. Wenn Bhattacharya vorschlägt: “(a) eine theoretische Neufassung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt; (b) eine erweiterte Auffassung von Arbeiterklasse, die über jene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als Lohnarbeiter beschäftigt sind, hinausgeht; und (c) die Neubewertung von Klassenkampf als etwas, das mehr bedeutet als Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen”,116 dann sieht es so aus, als könnten wir dem weitgehend zustimmen.

Sehen wir uns jedoch genauer an, worauf Bhattacharya sich bezieht, wenn sie von einer “erweiterten Auffassung von Arbeiterklasse” spricht:

Als revolutionäre Marxistinnen fassen wir die Arbeiterklasse als all jene in der produzierenden Klasse auf, die in ihrem Leben an der Totalität der Reproduktion der Gesellschaft teilgenommen haben—unabhängig davon, ob ihre Arbeit vom Kapital bezahlt wurde oder unbezahlt geleistet wurde. Solch ein integrativer Ansatz von Klasse bringt die Latino-Zeitarbeiterin in einem Hotel in Los Angeles mit der Mutter aus Indiana mit flexibler Arbeitszeit zusammen, die wegen der hohen Kinderbetreuungskosten zu Haus bleiben muss, die afroamerikanische Vollzeitlehrerin in Chicago mit dem weißen arbeitslosen einstigen Automobilarbeiter aus Detroit, der Mitglied der Gewerkschaft UAW ist.117

Natürlich gehören all die von Bhattacharya erwähnten Menschen zur Arbeiterklasse. Es gibt jedoch eine Neigung, das Ausmaß der prekären Arbeit in der Arbeiterklasse zu übertreiben, ähnlich wie Bhattacharya mit ihrer Präsentation von Arbeiterklasse. Ebenso werden die Aussichten auf kollektiven Kampf unterschätzt und das Potenzial, das durch die Umstrukturierung des amerikanische Kapitals geschaffen wurde, wird übersehen. Kim Moody schreibt:

Ein Resultat des fortlaufenden Akkumulationsprozesses und der zunehmenden Flexibilität der Arbeiterklasse, wie sie die “schlanke Produktion” und die Ausdehnung erweiterter Lieferketten sowohl bei Dienstleistungen als auch in der Güterproduktion erfordert, war die Zunahme von prekärer oder Gelegenheitsarbeit—zum Beispiel Zeitarbeit, befristete Verträge, Arbeit auf Abruf, Scheinselbstständigkeit, unfreiwillige Teilzeitarbeit (Zeitarbeit aus ökonomischen Gründen für jene, die üblicherweise Vollzeit arbeiten) und so weiter. […] Doch überraschenderweise ist der Anteil prekär beschäftigter Arbeiter kaum angestiegen: von 15,2 Prozent im Jahr 1965 auf 15,5 Prozent im Jahr 2005 laut letzter Zählung des Bureau of Labor Statistics.118

Moody schätzt, dass rund 85 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter nach wie vor “traditionell” beschäftigt sind und dass dieses Bild ähnlich auch für Kanada und Europa gilt. Das “Gigariat” (Moodys Begriff für die “Gig-Ökonomie”), das mehrere Jobs annehmen muss, um leben zu können, hat den Anteil derer, die schon immer mehr als eine Arbeitsstelle hatten, nicht erhöht.119

Die Umstrukturierung des Kapitals in den USA hat zudem neue Zentren der Akkumulation geschaffen mit großen Konzentrationen von Arbeiterinnen und Arbeitern in den reorganisierten Lieferketten, die so wichtig für den “schlanken” Produktionsprozess sind. Diese produktiven Arbeiterinnen (nicht selten an die 100.000), “werden schlecht bezahlt und als entbehrlich behandelt”, weil die Logistikzentren an Orten wie Chicago und Los Angeles in der Nähe von Gegenden errichtet werden, wo es eine große Anzahl armer, arbeitsloser und unterbeschäftigter schwarzer und lateinamerikanischer Arbeiter gibt, die als nicht versiegende Quelle niedrig entlohnter Arbeit dienen.120 Diese Arbeiter, schwarz, lateinamerikanisch, männlich, weiblich, besitzen das Potenzial, ungeahnte ökonomische Macht zu entfalten. Wie Moody schreibt: “Dies ist der Ort größter unmittelbarer Macht, wo Menschen nach Geschlecht und Herkunft bunt gemischt sind, und auch der wahrscheinlichste Ort für direkte Demokratie”.121

In Niedriglohnbereichen, in denen vor allem Migrantinnen arbeiten, gab es in jüngster Zeit in der Tat einige beeindruckende Kämpfe. Im Jahr 2015 traten 80 Prozent der Hotelbeschäftigten New Yorks in Gewerkschaften ein.122 Julie Sherry schreibt: “Geschätzte 19 Millionen Niedriglohnarbeiter in den USA haben 61,5 Milliarden Dollar Lohnerhöhung erkämpft, seit im Jahr 2012 der Kampf für 15 Dollar Mindestlohn begann. Heute gibt es den gesetzlichen Mindestlohn von 15 Dollar in Kalifornien und im Staat New York. In Seattle und Pennsylvania gilt dieser für Pflegeheime und Krankenhäuser, und für Beschäftigte des öffentlichen Diensts in unzähligen anderen Städten”. Der Kampf für den Mindestlohn von 15 Dollar war auch politisch und antirassistisch: “Von Beginn an sahen die Beschäftigten ihre Streiks in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung, und sie knüpften sprachlich häufig an die damaligen Kampagnen an”.123

In Großbritannien sind die Universitätsangestellten mit ihrem Kampf für ihre Renten im Frühjahr 2018 das beste Beispiel für eine gemischte Arbeiterklasse, einschließlich eines hohen Prozentsatzes “prekärer” Arbeiterinnen und Arbeiter mit befristeten Verträgen, die die Waffe des Streiks sehr wirksam eingesetzt haben. Mit dem Streik kämpften sie gegen die neoliberale Agenda, politisierten und radikalisierten sich Tausende neuer Arbeiterinnen und Arbeiter. Es kamen Themen wie Ausbildung und Arbeitsbedingungen an den Universitäten zusammen, während gleichzeitig “alte” Themen wie unterschiedliche Vorstellungen über den Fortgang und die Ziele des Streiks zwischen der Basis, die den Kampf gewinnen will, und der Gewerkschaftsbürokratie, die einen Kompromiss aushandeln will, hochkamen.124

Arruzza’s Beitrag, “From Social Reproduction Feminism to the Women’s Strike” in Bhattacharyas Buch “Social Reproduction Theory” verwischt die Frage, wo die Macht der Arbeiterklasse liegt—es gibt kein Gegenbeispiel von Bhattacharya oder anderen in der Sammlung. Arruzza erklärt, der Frauenstreik am Internationalen Frauentag 2017 wurde “ein Tag ohne Frauen” genannt. “Mit der Übernahme des Worts Streik soll betont werden, dass Arbeit, die Frauen leisten, nicht nur im Betrieb stattfindet, sondern auch außerhalb des Betriebs in der Sphäre der Reproduktion”.125 Die Organizer ermutigten Frauen, einen Tag lang die Arbeit ruhen zu lassen, sei es Arbeit “draußen” oder zu Hause, um sichtbar zu machen, was Frauen tagtäglich an Arbeit leisten. Arruzza stellt den Frauenstreik in den Zusammenhang niedriger Gewerkschaftsmitgliedschaft und geringer betrieblicher Streiks.

International gesehen war der Tag ein großer Erfolg, überall auf der Welt wurden Frauen aktiv: in den USA, in Polen, Irland, Australien, Brasilien, Argentinien, der Türkei, in Libanon, Thailand, auf den Philippinen und in Indien ebenso wie in Nairobi und Tokio.126 Ein eintägiger Ausstand kann als Taktik sehr nützlich sein, aber irgendwann müssen die Frauen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, für die Gewerkschaft gewonnen werden, und Arbeiterinnen müssen in der Lage sein, dafür einzutreten, dass die ganze Belegschaft, Männer wie Frauen, für höhere Löhne oder gegen Geschlechterdiskriminierung kämpft, statt allein der Arbeit fernzubleiben. Eine Arbeiterschaft, die geschlossen in den Streik tritt, trifft das Kapital härter als eine Teilarbeitsniederlegung gestützt auf Geschlecht. Bei Streiks geht es darum, dass Arbeiterinnen und Arbeiter sich ihres Potenzials bewusst werden, die Welt zu verändern, dass sie einen Zug in Bewegung setzen können, in dem sie das Subjekt der Geschichte werden, statt Objekt der Geschichte zu sein. Sie können den Kapitalismus auf eine Weise treffen, wie soziale Bewegungen es nicht können. Deshalb müssen Revolutionärinnen und Revolutionäre dafür argumentieren, dass Arbeiterinnen wie Arbeiter soziale Bewegungen zu ihrer Sache machen und “Volkstribun” der Unterdrückten werden.127

Rassismus verstehen

Die Theorie der sozialen Reproduktion entstand aus dem Bedürfnis heraus, die fortgesetzte Unterdrückung von Frauen im Kapitalismus zu erklären, wurde jetzt aber erweitert, um Rassismus und andere Quellen der Spaltung zwischen Arbeitern zu verstehen und zu erklären. In ihrem Beitrag auf der Konferenz am King’s College brachte Bhattacharya vor: “Wie die SRT zeigt, kann Arbeitskraft für das Kapital nur durch bestimmte, aber zuverlässige gesellschaftliche Beziehungen verfügbar werden, die nach Geschlecht oder ‘Rasse’ organisiert sind und ihre eigenen institutionellen Formen der Selbsterhaltung schaffen”.128 Sie kritisiert Johanna und Robert Brenners Vorstellung von der Konkurrenz zwischen Arbeitern als Ursprung dieser Spaltungen129 und schlägt stattdessen vor: “Ich stimme zwar im Großen und Ganzen mit dieser Darstellung überein, denke jedoch, dass die SRT uns dazu drängt, die Frage der Differenzierung weiterzudenken und sie nicht nur auf der Ebene des Arbeitsmarkts zu stellen, der den Preis der Arbeitskraft ausdrückt, sondern auf der Ebene der Produktion des Werts der Arbeitskraft”.130 Für Bhattacharya wird die “Ausdifferenzierung der Arbeiterklasse in den Poren des Systems hergestellt und aufrechterhalten”.131

Bhattacharya stützt sich stark auf bestimmte Aspekte in Marx’ Schriften über die irische und englische Arbeiterklasse, um erstens zu sagen, dass die “notwendigen Bedürfnisse” für die einen Arbeiter sich aufgrund ethnischer Unterschiede durchaus von denen anderer Arbeiter unterscheiden können. “Der irische Arbeiter verkörperte in unmittelbarem Gegensatz zu dem englischen Gegenüber für Marx diese Herstellung der Differenz, denn der irische Arbeiter befand sich auf der ‘Stufe des Lohnarbeiters’, der ‘das tierischste Minimum von Bedürfnissen, von Lebensmitteln’ in seinem Austausch mit dem Kapital hinnahm”.132 Bhattacharya behauptet: “Die Senkung des Werts des einen Teils von Arbeitern wirkt auf alle Sektionen von Arbeitern zurück, denn niedrige Löhne für einige Arbeiter ermöglichen es dem Kapital, zu rationalisieren und die Löhne aller Arbeiter zu senken. Die herabgesetzte soziale Reproduktion ‘rassifizierter’ Arbeiter trägt deshalb zur Einrichtung eines Regimes niedrigerer Löhne für alle bei”. Das wiederum kann zur Absenkung der “notwendigen Bedürfnisse” für alle Arbeiter führen und deshalb zu einer Reduktion des Werts der Arbeitskraft aller Arbeiter.133 An anderer Stelle stellt Bhattacharya fest, dass das Niveau der Klassenkämpfe ein bestimmendes Moment hinsichtlich des Werts der Arbeitskraft darstellt:

Offensichtlich glaubte Marx nicht, dass der Wert der Arbeitskraft des irischen Arbeiters eine konstante Größe war, die aufgrund ethnischer Zugehörigkeit unter der ihres englischen Gegenübers blieb. Dieser war stattdessen das Ergebnis des Klassenkampfs—oder fehlenden Klassenkampfs—und es war der englische Arbeiter, der das gemeinsame Klasseninteresse mit dem irischen gegen das Kapital im Ganzen erkennen musste.134

Das wirft eine Reihe komplexer Fragen über die Bildung des Werts der Arbeitskraft, die Auswirkung von Streik auf den Wert der Arbeitskraft135 und die Rolle der Arbeiter anderer ethnischer Zugehörigkeit bei der Bildung des Werts der Arbeitskraft auf. Dabei werden auch andere Faktoren wie die Rolle der herrschenden Klasse bei der Herausbildung rassistischer Ideologie und die Rolle des Staats bei der Durchsetzung rassistischer Spaltung übergangen. Als Marx in seinem Brief an Sigfrid Meyer und August Vogt von dem Antagonismus zwischen den englischen und irischen Arbeitern schrieb, erklärte er:

Dieser Antagonismus wird künstlich wachgehalten und gesteigert durch die Presse, die Kanzel, die Witzblätter, kurz, alle den herrschenden Klassen zu Gebot stehenden Mittel. Dieser Antagonismus ist das Geheimnis der Ohnmacht der englischen Arbeiterklasse, trotz ihrer Organisation. Er ist das Geheimnis der Machterhaltung der Kapitalistenklasse. Letztre ist sich dessen völlig bewusst.136

Das galt bereits für Marx’ Zeiten mit der Entwicklung rassistischer Ideologie, um die Sklaverei auf den Plantagen in Nordamerika und auf den karibischen Inseln zu rechtfertigen, und das gilt seitdem bis heute. Heute spielen die Massenmedien, wenn nicht die Kanzel, eine unverzichtbare Rolle bei der aktiven Verbreitung rassistischer Ideen als Teil der von der herrschenden Klasse geförderten Ideologie—wozu die Dämonisierung des Islams und der Muslime, zugewanderter Arbeiter, von Flüchtlingen und Asylsuchenden, also all derer gehört, die gerade als Sündenbock auserkoren werden.137 Ohne auch nur die Erwähnung der Rolle der herrschenden Klasse bei der Verbreitung von Rassismus bleibt eine Tür offen, der Arbeiterklasse die Verantwortung für Rassismus zuzuschreiben.138

Der zweite von Bhattacharya ausgelassene Aspekt ist die Rolle des Staats, denn kapitalistische Staaten können aktiv Arbeiter aus dem Ausland rekrutieren und auch die Bewegungsfreiheit von Arbeitsmigranten durch Einwanderungsgesetze regulieren, zum Beispiel durch Quoten und Bedingungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft. Phil Marfleet weist auf den widersprüchlichen Ansatz des US-Kapitals bezüglich Arbeit von Migrantinnen und Migranten hin:

“Illegale” Einwanderer sind ein fester Bestandteil des amerikanischen Kapitalismus. Sie werden auch ideologisch für Ausgrenzungskampagnen benutzt, wie sie zu dem Repertoire des konservativen Nationalismus und jetzt der kryptofaschistischen Strömungen wie der Alt-Right-Bewegung gehören. Das spiegelt einen scheinbaren Widerspruch wider, wie er sich seit Entstehung des modernen Nationalstaats gezeigt hat: Das Streben nach Profit (“der Markt”) ist es, das die Muster der Ausbeutung der Arbeiterklasse prägt. Gleichzeitig erfordert der Nationalstaat Ideologien der Zugehörigkeit gestützt auf Vorstellungen von Inklusion und Exklusion.139

Die Rolle des Staats ist jedoch—neben der Mobilisierung rassistischer Ideologien—wichtig in Bezug auf Bhattacharyas Behauptung über den Einfluss geringerer “notwendiger Bedürfnisse” von Arbeitern einer ethnischen Zugehörigkeit auf jene anderer ethnischer Zugehörigkeit. Mit den Jim-Crow-Gesetzen wurden Ende des 19. Jahrhunderts rassistische Spaltungen in den Südstaaten der USA institutionalisiert. In der Folge war es möglich, die Löhne der schwarzen Arbeiter im Vergleich zu denen der weißen zu senken. Verglichen mit dem Lohnniveau im Norden waren aber die Löhne der Schwarzen wie der Weißen niedriger. Eine Triebkraft bei der Entwicklung der “Rassen”-Trennung in Südafrika war die Notwendigkeit, die Konkurrenz schwarzer Südafrikaner mit weißen Farmern oder Arbeitern zu beschränken. In der Folge entstand eine riesige Kluft zwischen den gesellschaftlich anerkannten Bedürfnissen der schwarzen und weißen Arbeiter, die jedoch Ergebnis eines Gesamtprozesses war: wirtschaftlich, politisch und ideologisch.140

Es gibt Fälle, in denen Arbeit von Migrantinnen und Migranten nicht solche Folgen hatte. In dem Aufschwung der Nachkriegszeit in Großbritannien führte der riesige Zufluss ausländischer Arbeitskräfte nicht zu einer allgemeinen Senkung der Löhne oder des Lebensstandards, der im Gegenteil sogar bis zur Regierungszeit von Labour in den Jahren 1974 bis 1979 stieg.141 Für das dann einsetzende Sinken des Lebensstandard war vor allem die Gewerkschaftsbürokratie verantwortlich, die die Arbeiterschaft notfalls durch Organisieren von Streikbruch davon überzeugte, die Einkommenspolitik Labours hinzunehmen.142 Wachsender Rassismus befördert durch den Aufschwung der Nazipartei National Front hatten ohne Zweifel Auswirkungen auf die Gesellschaft, aber das war nicht der Mechanismus zur Senkung des Lebensstandards.

Die Einstellung qualifizierter Arbeitskräfte wie Lehrer und Ärztinnen im Bildungs- und Gesundheitswesen Großbritanniens hat nicht zur Senkung des Lohns geführt, obwohl ihre ursprünglichen Reproduktionskosten an anderer Stelle entstanden sind und vielleicht sogar niedriger waren als in Großbritannien.143 In einer neueren Studie über Lohnarbeit in der EU wird festgestellt, dass die “überwiegende Mehrheit der geschätzt 3,6 bis 3,8 Millionen EU-Bürger im Land qualifizierte Tätigkeiten ausübten, von denen 537.000 mit Hochschulabschluss oder ähnlichen Qualifikation ‘hochqualifiziert beschäftigt’ waren”.144 Bestimmte Industriebereiche sind tatsächlich auf den Zufluss schlecht bezahlter Arbeitskräfte angewiesen, aber die Diskussion über Niedriglöhner aus anderen Ländern führt dazu, von denen abzulenken, die für die Zahlung von Niedriglohn, für schlechte Arbeitsbedingungen, für schlechte Wohnbedingungen und so weiter verantwortlich sind—die kapitalistische Klasse, die aktiv Migrantinnen und Migranten als Arbeiter anwirbt.

In ihrer Zusammenfassung auf der Konferenz Marx is’ Muss in Berlin 2018 vertrat Bhattacharya die Auffassung, dass es bei Marx keine Theorie der Unterdrückung gebe (abgesehen von nationaler Unterdrückung) und dass Unterdrückung wie Ausbeutung zur Spaltung führe. Unterdrückung spaltet in der Tat Männer von Frauen, Heterosexuelle von LGBT+. Auch ist wahr, dass Solidarität mit Muslimen und Muslima nicht automatisch entsteht, nur weil jemand eine Frau ist, auch nicht umgekehrt zwischen Muslimen und Schwarzen oder zwischen Schwulen/Lesben und Transpersonen.

Marx hat sich allerdings sehr wohl zu der Beziehung zwischen Unterdrückung und Ausbeutung geäußert. In den Provisorischen Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation von 1864 heißt es, dass “die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d. h. der Lebensquellen, der Knechtschaft in allen ihren Formen” allem “gesellschaftlichen Elend, aller geistigen Verkümmerung und politischen Abhängigkeit [zugrunde liegt]”.145 Mit anderen Worten ist die Ausbeutung der Grundstein für alle Arten der Unterdrückung. In der “Deutschen Ideologie” äußern sich Marx und Engels sehr klar über die untergeordnete Natur der Familie in Klassengesellschaften: “Diese Familie, die im Anfange das einzige soziale Verhältnis ist, wird späterhin, wo die vermehrten Bedürfnisse neue gesellschaftliche Verhältnisse, und die vermehrte Menschenzahl neue Bedürfnisse erzeugen, zu einem untergeordneten [Verhältnis]”.146

Auch in den Provisorischen Statuten äußert Marx sehr deutlich, dass der politische Kampf zur Überwindung von Unterdrückung den Kampf um die Kontrolle der Produktionsmittel erfordert, dass “die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist”.147 Das heißt nicht, dass die Linke Unterdrückung in welcher Form auch immer ignoriert, sondern dass Marxisten dafür kämpfen müssen, dass die Arbeiterbewegung sich jeder Manifestation von Unterdrückung als Teil des revolutionären Kampfs um die Macht und zur Beendigung der Ausbeutung annehmen muss. Die Zweite Internationale befasste sich im Jahr 1907 auf ihrem Kongress in Stuttgart mit der “Ein- und Auswanderung der Arbeiter” und beschloss Kernforderungen, die auch heute noch als richtig gelten können: offene Grenzen und “Abschaffung aller Beschränkungen, welche bestimmte Nationalitäten oder Rassen vom Aufenthalt in einem Lande und von den sozialen, politischen und ökonomischen Rechten der Einheimischen ausschließen oder sie ihnen erschweren”.148 Oder wie Karl Liebknecht, einer der führenden deutschen Sozialisten, rief: “Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung”.149

Schlussfolgerungen

Die Theorie der sozialen Reproduktion ist mit Blick auf die Intersektionalitätstheorie ein Schritt vorwärts, weil Marx und sein Werk “Das Kapital” als Ausgangspunkt für das Verständnis von Frauenunterdrückung genommen werden. Vogel bietet eine Analyse der widersprüchlichen Position des Kapitals bezüglich Frauenarbeit. Ihre Theorie weist aber auch Schwächen auf hinsichtlich ihrer auf alle Klassengesellschaften bezogenen Annahmen über Schwangerschaft und Geburt und ihrer Ablehnung von Engels’ Theorie zum Ursprung der Frauenunterdrückung. Ihre Diskussion über gleiche Rechte und die Notwendigkeit einer klassenübergreifenden Frauenbewegung führt dazu, dass die Interessen der Arbeiterinnen denen anderer Klassenkräfte in der Gesellschaft untergeordnet werden.

Bhattacharya hebt in ihrer Version der SRT am Ende die Reproduktion von Arbeitskraft auf dieselbe Stufe wie die Produktion. Sie verdeckt damit das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit und verwischt die untergeordnete Beziehung von Unterdrückung im Verhältnis zu Ausbeutung. Damit erschwert sie auch das Verständnis von der Macht der in der Produktion organisierten Arbeiterinnen und Arbeiter im Vergleich zu sozialen Bewegungen außerhalb des Betriebs. Hinter ihrer Forderung (und der anderer), dass Marxisten soziale Bewegungen ernstzunehmen haben, verbirgt sich eine reale Kontroverse darüber, wo die Macht in der Gesellschaft liegt. Ihre Analyse von Rassismus ist schwach und trägt wenig zu den umfangreichen Arbeiten anderer Marxisten bei.

Die Theorie der sozialen Reproduktion war schon lange ein zusätzliches Instrument in der marxistischen Werkzeugkiste und kann es auch bleiben, wenn es nicht dazu benutzt wird, um das Werkzeug, das Marx (und Engels) schon zur Verfügung gestellt haben, abzustumpfen oder zu ersetzen. Wir müssen uns auf Engels’ Erklärung stützen, dass “die Befreiung der Frau zur ersten Vorbedingung hat die Wiedereinführung des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie, und dass dies wieder erfordert die Beseitigung der Eigenschaft der Einzelfamilie als wirtschaftlicher Einheit der Gesellschaft”.150 Marxisten, die sich von der Theorie der sozialen Reproduktion angezogen fühlen, sollten sich nicht nur mit dem “Kapital”, sondern auch mit den anderen Schriften von Marx (und Engels) beschäftigen. Marxisten könnten das tun, ohne Mehrdeutigkeiten in das Verständnis von Klassenkampf und der Beziehung zwischen Ausbeutung und Unterdrückung einzuführen, die sich bei Marx nicht finden lassen.

 


 

Fußnoten

1 Dieser Artikel ist das Ergebnis intensiver Diskussionen. Dank insbesondere an Sue Caldwell, Alex Callinicos, Joseph Choonara, Kevin Corr, Gareth Jenkins, Volkhard Mosler, Rosemarie Nünning und Camilla Royle.

2 Vogel, 2017, S. x.

3 Susan Ferguson teilt die Intersektionalitäts-Feministinnen in zwei Hauptgruppen auf: jene, die begreifen, dass die verschiedenen Formen von Unterdrückung als Ganzes gesehen werden müssen, und andere, die zwar erkennen, dass Formen der Unterdrückung miteinander verzahnt sind, aber nicht, wie sie in ein Ganzes eingebettet sind (Ferguson, 2016). Meiner Ansicht nach bleibt bei der ersten Gruppe, so wie sie die Struktur des Kapitalismus auffasst, eine Unklarheit über den Hauptmotor der Unterdrückung bestehen.

4 Siehe die umfassende Analyse der Privilegien- und Intersektionalitätstheorie von Choonara und Prasad, 2014.

5 David McNally hält die Entwicklung der SRT für die “vielversprechendste Perspektive für jene, die an einer historisch-materialistischen Theorie mehrfacher Unterdrückung in der kapitalistischen Gesellschaft interessiert sind”; McNally, 2017, S. 94.

6 Es ist üblich, von “Wellen des Feminismus” zu sprechen. Meiner Ansicht nach führt das dazu, die realen Differenzen zwischen den Bewegungen zu verwischen. Die Bewegung der Suffragetten, die für das Frauenwahlrecht kämpfte und als „erste Welle der Frauenbewegung“ bezeichnet wird, hatte nicht die Absicht, den Kapitalismus zu stürzen, im Gegensatz zu der „zweiten Welle“ der Frauenbewegung, die auch als Teil des Kampfs für den Sozialismus gesehen wurde. Der Begriff “Welle” führt nur dazu, dass dahinter die Zentralität von Klasse und der Kampf gegen den Kapitalismus verschwindet und der Eindruck entsteht, dass Frauenbewegungen wie Brandungswellen sind, die sich bilden und wieder auflösen.

7 Vogel, 2014. Erstveröffentlichung 1983, neu aufgelegt mit einer Einführung von Susan Ferguson und David McNally.

8 Lebowitz, 2003; Bhattacharya, 2017a, b und c.

9 Bhattacharya hat auf der Konferenz Marx is’ Muss 2018 das große Interesse an der SRT vom derzeitigen Stand der Kämpfe abgeleitet. Das Video ist hier zu finden: www.marx21.de/das-war-marx-is-muss-2018-videos

10 Fine, 2017.

11 Bhattacharya, 2017b. Pluto Press hat die Veröffentlichung einer neuen Buchreihe mit dem Titel “Mapping Social Reproduction Theory” angekündigt, herausgegeben von Bhattacharya und Ferguson.

12 Foster und Clark, 2018.

13 Siehe Barret, 1980, S. 258–259; Cliff, 1984, Kapitel 10 und 11; Mitchell, 1971, Kapitel 10; Rowbotham, 1977, Nachwort.

14 Bhattacharya, 2017b, S. 6.

15 Fine, 2017.

16 Hartmann, 1979; Mitchell, 1971.

17 Brenner und Ramas, 1984 (Nachdruck in Brenner, 2000); Barrett, 1980. Ich stelle Barretts Ansatz sehr vereinfacht dar, mir geht es um die Argumentation von Brenner und Ramas in diesem Zusammenhang.

18 Brenner und Ramas, in: Brenner, 2000, S. 27–32.

19 German, 1989, S. 40. Siehe auch Cliff, 1984; Harman, 1984; McGregor, 2013, und Orr, 2015. Das Verständnis von Familie und Frauenunterdrückung lag den Schriften der deutschen Revolutionärin Clara Zetkin, der Praxis der bolschewistischen Partei und der Arbeit der revolutionären Regierung Russlands in ihrer Anfangszeit nach 1917 zugrunde.

20 Brenner und Ramas, 1984, nachgedruckt in: Brenner, 2000, S. 27. Erwähnenswert ist der Hinweis von Brenner und Ramas auf die Auswirkungen auf die Familie, die Veränderungen bei den Produktivkräften mit sich bringen. Siehe Chris Harmans Analyse, ebenfalls von 1984.

21 Vogel, 2014, S. 144.

22 Bruegel, 1978. Bruegels Analyse war ein Bezugspunkt für German und Harman, die ebenfalls betonten, dass die Arbeiterfamilie nicht die einzige Möglichkeit war, die Reproduktion der Arbeiterklasse zu organisieren.

23 Vogel, 2014, S. 145.

24 Gimenez, 2005, S. 19. Gimenez rechtfertigt die Verwendung des Begriffs Reproduktionsweise mit Bezug unter anderem auf Engels. Allerdings wurde Engels’ Bezugnahme auf eine “Reproduktionsweise” in der Vergangenheit von anderen benutzt, um zur Untersuchung von Frauenunterdrückung den Ansatz eines “Doppelsystems” zu rechtfertigen. Harman kritisiert Hartmans Verwendung dieses Begriffs, siehe Harman, 1984.

25 Gimenez, 2005, S. 20.

26 Gimenez, 2005, S. 20. Das steht im Widerspruch zu den Ansichten von Bhattacharya und Lebowitz. Siehe die Diskussion weiter unten.

27 Harman, 1984, S. 9.

28 Brenner und Ramas, 1984, nachgedruckt in: Brenner, 2000, S. 29.

29 Siehe German, 1989, Teil 2, wo sich eine genauere Analyse dieses Prozesses findet.

30 Auch Bruegel verweist darauf; Bruegel, 1978.

31 Brenner und Ramas, 1984, in: Brenner, 2000, S. 29.

32 Harman, 1984, S. 10. Siehe auch Marx’ Kommentar zur Erhöhung des Mehrwerts durch das Einsaugen aller Familienmitglieder in die Arbeiterschaft, Marx, 1979, “Das Kapital” (1867), Kapitel 13, Abschnitt 3, S. 417.

33 Vogel, 2014, S. 161–162. Siehe auch Vogel, 2014, S. 159–161 bezüglich der weiteren Diskussion über die Folgen der Akkumulation auf die soziale Reproduktion.

34 Dies ist ein komplexes Feld, da Pflegekräfte, Krankenschwestern und andere häufig bezahlt in Privathaushalten arbeiten.

35 Moody, 2017, S. 20. Dank an Gareth Jenkins für den Hinweis auf diesen Abschnitt in Moodys Buch.

36 Vogel, 2014, S. 21. Vogel bezieht sich meiner Ansicht nach auf alle Klassengesellschaften, nicht nur den Kapitalismus.

37 Vogel, 2014, S. 15. Bisweilen scheint Vogel über die kapitalistische Produktionsweise zu sprechen, wie auf S. 144, und dann wieder sich auf alle Klassengesellschaften zu beziehen.

38 Vogel, 2014, S. 152.

39 Ferguson, 2008, S. 50.

40 Vogel, 2014, S. 65.

41 Engels, 1962b, “Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats” (1884), S. 444–455. Siehe Ginsburgh, 2014, über Vogels Umgang mit Engels; und McGregor, 2015, über Brown, 2013, und Engels.

42 Paddy Quick unterscheidet zwischen Vorklassen- und Klassengesellschaften, Vogel äußert dazu keine eigene Meinung; Vogel, 2014, S. 150, Fußnote 18.

43 Viele der von Engels verwendeten Daten sind inzwischen überholt, auch seine Vorstellung von der “natürlichen” Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. Seine Auffassung jedoch, dass die Beziehungen zwischen Frauen und Männern in den frühen Gesellschaften egalitär waren, und dass es die Kontrolle über die Produktion des Mehrprodukts war, die zur Unterordnung der Frauen führte, ist richtig. Harman stützt sich auf vielfältiges Material auch von Marxistinnen und Marxisten wie die Anthropologin Eleanor Burke Leacock oder den Archäologen Gordon Childe, um den Ursprung der Frauenunterdrückung zu erklären. Harmans Analyse ist nach wie vor ein guter Ausgangspunkt, um die Entstehung von Frauenunterdrückung und die Stärke von Engels’ Darstellung zu erklären; Harman, 1994. Wenn umgekehrt der Grund für Frauenunterdrückung in ihrer biologischen Fähigkeit zur Reproduktion gesucht wird, kann das dazu führen, dass das Terrain für den Kampf gegen Frauenunterdrückung in dem Kampf gegen ihre reproduktive Rolle in der Gesellschaft gesucht wird, während die Produktionssphäre ignoriert wird.

44 Vogel, 2014, S. 150. Paddy Quick, allem Anschein nach eine gute Aktivistin, war augenscheinlich Maoistin, als sie ihre Analyse schrieb. Siehe Quick, 1977.

45 Vogel, 2014, S. 93.

46 Vogel, 2014, S. 79, meine Hervorhebung.

47 Das gilt für viele Passagen in Quicks wie Vogels Schriften, wo nicht klar wird, ob sie sich auf den Kapitalismus oder auf Klassengesellschaft im Allgemeinen beziehen.

48 Darauf weist Linda J. Nicholson in ihrer Besprechung des Buchs von Vogel in der Women’s Review of Books hin; Nicholson, 1984. Siehe auch Brenners Besprechung; Brenner, 1984. Vogels Ansatz ist geprägt von Louis Althussers Verständnis von Marx, wie sie in dem Kapitel “Domestic Labour Revisited” im Anhang zu ihrem Buch selbst erklärt; Vogel, 2014, S. 187.

49 Engels, 1962a, “Anteil der Arbeit” (1876), S 444–455.

50 Heather Brown diskutiert diese Frage sehr ausführlich; Brown, 2013, S. 17–27.

51 Marx , 1979, S. 192.

52 Vogel, 2014, S. 147.

53 Engelmann stellte auch fest: “Doch gibt es selten einen Unfall; so erzählt mir ein Arzt, er wisse von keinem Erkranken, ebenso wenig von einem Tode im Wochenbette während eines achtjährigen Aufenthaltes unter den Canada-Indianern. Ein anderer College, welcher vier Jahre in Oregon lebte, kennt keine Unregelmäßigkeit aus der Geburtszeit: seine bedeutendste Operation war das Blasensprengen”. Engelmann, 1884, S. 15–16.

54 Vogel könnte darauf entgegen, dass sie sich nur auf Klassengesellschaften bezieht. Da sie jedoch Engels’ Theorie in Kapitel 6 ablehnt (“Engels: a Defective Formulation” [Engels: eine fehlerhafte Formulierung], lässt sie die Leserin ohne eine Darstellung von Vorklassengesellschaften; Vogel, 2014.

55 “Es gibt kaum medizinische Vorkehrungen. Die Mutter ist wahrscheinlich gerade auf der Jagd oder auf der Wanderung, wenn die Geburt stattfindet, während der Schwangerschaft nehmen ihre Aktivitäten nicht ab, die Geburt geht leicht vonstatten, selten treten Komplikationen auf. […] Wenn die Geburt auf der Wanderung stattfindet, setzt sie diese anschließend fort”; Turnbull, 1965, S. 129.

56 Vogel, 2014, S. 153.

57 In der englischen Fassung heißt es “chattle”, Zuchtvieh. In der deutschen Fassung findet sich an dieser Stelle folgende Einfügung der Übersetzerin: “(bzw. chattel; die ursprüngliche Bedeutung von Chattel ist Sklave, Leibeigener)”. “Vieh” wäre in dem ganzen Kontext aber auch adäquat; d. Übers. Davis, 1982, S. 8.

58 Davis, 1982, S. 9–10.

59 Davis, 1982, S. 15. Auf den Karibischen Inseln gab es hingegen eine sehr extensive geschlechtliche Arbeitsteilung. Dank an Joseph Choonara für diesen Hinweis

60 Davis, 1982, S. 11–12.

61 Davis, 1982, S. 12.

62 Um das Auspeitschen schwangerer Sklavinnen zu erleichtern, wurden sie über ein zu diesem Zweck ausgehobenes Loch gelegt; Davis, 1981, S. 14.

63 Davis, 1982, S. 12.

64 Die Ehefrauen der Sklavenhalter waren durch die Familie unterdrückt, profitierten aber gleichzeitig von dem System der Sklaverei.

65 Chris Harman weist darauf hin, dass auch alleinstehende Frauen und Frauen mit erwachsenen Kindern den Folgen der Unterdrückung, die die ganze Gesellschaft durchdringt, nicht entrinnen können. Siehe Harman, 1984.

66 Brenner und Ramas weisen darauf hin. Siehe Brenner, 2000, S. 28.

67 Bennett, 1996.

68 Bennett, 1996, S. 26.

69 Bennett, 1996. S. 34.

70 Bennett, 1996, S. 149.

71 Vogel, 2014, S. 169–170.

72 Vogel, 2014, S. 172.

73 Vogel, 2014, S.181. Dieser Abschnitt in Vogels Buch wird dadurch getrübt, dass sie glaubt, Albanien, die Sowjetunion, China und Kuba, wo es Ungleichheit zwischen Kapital und Arbeit und Männern und Frauen gibt und einen Mangel an demokratischen Rechten für nationale Minderheiten, seien sozialistische Gesellschaften (gewesen). Vogel, 2014, S. 180 einschließlich Fußnote 26.

74 So wie Zetkin, Rosa Luxemburg, Lenin, Leo Trotzki und andere es tun. Auch Quick erkennt nicht die Bedeutung der Beteiligung an der gesellschaftlichen Produktion, die der Arbeiterin das gesellschaftliche Gewicht gibt, um für ihre Befreiung als Teil der Arbeiterklasse zu kämpfen; Quick, 1977, S.48

75 Vogel, 2014, S. 174–5.

76 Vogel, 2014, S. 176. Mit Einverständnis Sheila McGregors ist dies ein erweitertes Zitat aus Vogels Buch, um deren Position noch besser zu verdeutlichen; d. Übers.

77 Vogel begreift nicht, wie sich im Zuge der Verringerung der Ungleichheit auf der Ebene der Gleichberechtigung die Ungleichheit zwischen den Klassen dennoch vergrößern kann und in der Folge auch die Unterdrückung von Frauen sich verstärkt; Vogel, 2014, S.172.

78 Vogel, 2014, S. 176.

79 Lebowitz, 2003.

80 Lebowitz zitiert Michael Burawoy: “[…] zwei Anomalien widerlegen hier den Marxismus: die Dauerhaftigkeit des Kapitalismus und die Passivität seiner Arbeiterklasse”; Lebowitz, 2003. S. 17. Siehe Vidal, 2018, bezüglich der Frage, was er als “Totengräber-These” versteht. Weder Lebowitz noch Bhattacharya bieten eine historische Analyse für den Niedergang der Klassenkämpfe in den USA an.

81 Lebowitz, 2003, S. 61.

82 Lebowitz, 2003, S. 161; Marx, 1961, “Zur Kritik der politischen Ökonomie” (1859), S. 9.

83 Lebowitz, 2003, S. 63, in Anlehnung an Marx, 1979, S. 649. Hervorhebung im Original. Es liegt nahe, auf diese “alternative Formulierung” hin die Frage zu stellen, warum das Ausmaß an Hunger auf der Welt nicht bereits zu revolutionärem Wandel geführt hat. (Der Begriff des Sollens leitet sich ab von Immanuel Kant, “Sollen oder Sein”; d. Übers.)

84 Marx, 1962b, “Provisorische Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation” (1864), S. 14.

85 Marx, 1988, “Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte” (1851/52), S. 115.

86 Vidal, 2018.

87 Lebowitz, 2003, S. 40. Marx, 1979, S. 185.

88 Lebowitz, 2003, S. 40. Marx, 1979, S. 185.

89 Lebowitz, 2003, S. 40.

90 Lebowitz, 2003, S. 44.

91 Lebowitz, 2003, S. 73.

92 Lebowitz, 2003, S. 43. Marx, 1979, S. 185. Nur weil der “Durchschnitts-Umkreis” der gesellschaftlich notwendigen Lebensmittel zu einer bestimmten Periode bekannt sein kann, heißt das nicht, dass er konstant bleibt. Darum geht es Marx zweifellos, wenn er von “historischen” Notwendigkeiten spricht.

93 Marx, 1962a, “Lohn, Preis und Profit” (1865), MEW 16, S. 146.

94 Marx, 1962a, S. 144.

95 Marx, 1962a, S. 152.

96 Lebowitz, 2003, S. 75.

97 Vogel bezieht sich auf diese Unterscheidung in ihrer Diskussion über die Natur von Hausarbeit; Vogel, 2014, S. 66.

98 Vogel, 2017, S. xi.

99 Mohandesi und Teitelman, 2017, S. 36–67.

100 Ferguson, 2017, S. 112–130. Ich denke allerdings, dass Ferguson den Einfluss der Konsumgesellschaft auf die Kindheit und den Einfluss des Markts auf Lehre und Lernen an den Schulen herunterspielt.

101 Bhattacharya, 2017c.

102 Bhattacharya, 2017c, S. 68. Hier scheint Bhattacharya die tiefgreifenden rassistischen Spaltungen zu übersehen, die seit der Zeit der Sklaverei die Arbeiterbewegung der USA plagen. In Großbritannien, das ebenfalls von Rassismus gekennzeichnet ist, haben sich Einstellungen und Repräsentanz von Frauen wie schwarzen und asiatischen Arbeitern in den Gewerkschaften seit den 1950er Jahren deutlich verändert—siehe Prasad, 2017. Bhattacharya, 2017c, S. 68

103 Bhattacharya, 2017c, S. 68 und 86.

104 Bhattacharya, 2017c, S. 68.

105 Bhattacharya, 2017c, S. 69.

106 Bhattacharya, 2017c, S. 69.

107 Bhattacharya, 2017c, S. 69.

108 Zitiert nach Bhattacharya, 2017c, S. 82.

109 Bhattacharya, 2017c, S. 86

110 Marx, 1984, “Kirchliche Agitation” (1855), S. 322. Dank an Alex Callinicos für diesen Hinweis.

111 Das Verdienst dieser Bewegung bestand außerdem darin, das Ende von Margaret Thatchers Ära als Ministerpräsidentin einzuläuten.

112 Lebowitz, 2003, S. 188.

113 Luxemburg, 1986, “Massenstreik, Partei und Gewerkschaften” (1906).

114 Lebowitz, 2003, S. 189–196. Deshalb kann Lebowitz zwar diskutieren, was sich in einem Arbeiterstaat ändern müsste, ohne dies jedoch in eine Diskussion des revolutionären Prozesses zur Erreichung dieses Ziels einzubetten.

115 Prasad, 2017.

116 Bhattacharya, 2017c, S. 86.

117 Bhattacharya, 2017c, S. 89.

118 Moody, 2017, S. 24. Das Bureau of Labor Statistics ist im Arbeitsministerium der USA angesiedelt; d. Übers.

119 Moody, 2017, S. 25 und 27. “Gigariat” meint das Hangeln zum Beispiel als Musiker von Auftritt (Gig) zu Auftritt; d. Übers.

120 Moody, 2017, S. 60.

121 Moody, 2017, S. 164 und Kapitel 5.

122 Die Konzentration von Hotels an einem Ort wie New York gibt den Arbeiterinnen und Arbeitern objektiv einen erheblichen ökonomischen Hebel an die Hand.

123 Sherry, 2017, S. 75.

124 Eine ausführliche Analyse des Streiks von führenden Teilnehmern findet sich bei Høgsbjerg, Hearn, Morelli und Royle, 2018.

125 Arruzza, 2017, S. 194.

126 Topping, Alexandra, in: The Guardian, 2017.

127 Lenin, 1985, “Was tun?” (1901), S. 437.

128 Bhattacharya, 2017a. Mitschrift der Videoaufzeichnung.

129 Bhattacharya, 2017a.

130 Bhattacharya, 2017a.

131 Bhattacharya, 2017a.

132 Bhattacharya, 2017a. Marx, 1973, “Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie” (1857/58), S. 211.

133 Bhattacharya, 2017a.

134 Bhattacharya, 2017c, S. 87.

135 An dieser Stelle gehe ich nicht weiter darauf ein. Siehe Callinicos, 2014, S. 197–198, zu dieser Diskussion.

136 Marx, 1974, “An Sigfrid Meyer und August Vogt” (1870).

137 Bhattacharya geht indirekt darauf ein, wenn sie über die Folgen des Neoliberalismus schreibt; Bhattacharya, 2017c, S. 91.

138 Das ist die Implikation des Absatzes, den Bhattacharya zitiert.

139 Marfleet, 2018, S. 10.

140 Dank an Alex Callinicos für diesen Hinweis.

141 Das gilt auch für Deutschland laut Volkhard Mosler.

142 Cliff, 1983.

143 Lehrerinnen aus Südafrika und Indien zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden in die bestehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen für Lehrer in Großbritannien integriert und auch in die Gewerkschaften. Das heißt nicht, dass schwarze Lehrer keine Rassendiskriminierung an ihrem Arbeitsplatz erfuhren, zum Beispiel bei Beförderungen.

144 O’Carroll, 2018.

145 Marx, Karl, 1962b. Dank an Volkhard Mosler, der mich auf diese Quelle aufmerksam gemacht hat.

146 Marx, 1983, “Deutsche Ideologie” (1845/46), S. 29.

147 Marx, 1962b.

148 Internationaler Sozialisten-Kongress, Stuttgart 1907, S. 58; Mosler, 2018.

149 Liebknecht, 1907.

150 Engels, 1962b, S. 76.

 


 

Literaturverzeichnis

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Bhattacharya, Tithi, 2017a, Talk at King’s College London (20 September), https://tinyurl.com/ybhl6uca

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