Wie wir die Goldene Morgenröte geschlagen haben: Interview mit Petros Constantinou

Issue: 169

Petros Constantinou

Zuerst auf Englisch erschienen in International Socialism 169—http://isj.org.uk/how-we-smashed-golden-dawn/. Aus dem Englischen von Angelo Kumnenis.


Am 7. Oktober, nach einem über fünfjährigen Prozess, befand ein griechisches Gericht die Führung der Goldenen Morgenröte für schuldig, eine kriminelle Organisation gebildet und geführt zu haben. Insgesamt 68 Mitglieder der Goldenen Morgenröte mussten sich in diesem Verfahren vor Gericht verantworten, das als größter Prozess gegen Nazis nach den Nürnberger Prozessen angekündigt wurde. Sieben ehemalige Parlamentarier der Goldenen Morgenröte, darunter Parteiführer Nikos Michaloliakos, wurden wegen der Führung einer kriminellen Organisation verurteilt, andere wegen ihrer Beteiligung daran für schuldig befunden.

Weitere Schuldsprüche gab es für den Mord am antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas durch Mitglieder der Goldenen Morgenröte im September 2013, den versuchten Mord an Abouzid Embarak und drei weiteren ägyptischen Fischern im Juni 2012 und einen brutalen Angriff auf Gewerkschafter der Kommunistischen Partei nur ein paar Tage vor Fyssas’ Ermordung.

Das Ergebnis des Prozesses war ein vernichtender Schlag gegen die Goldene Morgenröte. Die Goldene Morgenröte machte ihren entscheidenden Durchbruch in den zwei allgemeinen Wahlen im Mai und im Juni 2012. Sie holte 7 % der Stimmen und 18 Parlamentarier, mitten in der gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Krise, die Griechenland nach dem globalen finanziellen Zusammenbruch 2008/2009 heimsuchte. Doch schon bei der allgemeinen Wahl von 2019 fiel die Goldene Morgenröte unter die 3%-Hürde, womit sie alle ihre Parlamentssitze verlor.

Aber auch nach der Enthüllung der langen Geschichte der Komplizenschaft zwischen dem griechischen Staat, der herrschenden konservativen Partei Nea Dimokratia und der Goldenen Morgenröte wurde argumentiert, dass die Zerschlagung der Faschisten die Standhaftigkeit der liberaldemokratischen Institutionen gezeigt habe. Politische Kräfte des Mainstreams wurden dafür gefeiert, „Extremisten“ ausgeschaltet zu haben.

In Wirklichkeit war alles völlig anders. Es war eine antifaschistische Massenbewegung, die der Goldenen Morgenröte das Genick brach. Diese Bewegung konnte die Goldene Morgenröte immer weiter isolieren, indem sie sie aus der Öffentlichkeit drängte. So nahm sie ihr die Möglichkeit, sich im Gefolge ihres Durchbruchs bei der Wahl ein „respektables“ Gesicht zu geben. Zugleich übte die antifaschistische Bewegung großen Druck auf Nea Dimokratia und den Staat aus, sich von den Nazis zu distanzieren und schließlich rechtlich gegen sie vorzugehen.

Den Mittelpunkt der antifaschistischen Bewegung bildete die Organisation KEERFA (Bewegung vereint gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung). Petros Constantinou ist Koordinator der KEERFA und Mitglied der griechischen Sozialistischen Arbeiterpartei (SEK). Petros sprach mit Mark L. Thomas über die Gefahr, die die Goldene Morgenröte darstellte, die Strategie von KEERFA und die Lehren für den internationalen Kampf gegen die extreme Rechte.


MT: In den 1980er- und 1990er-Jahren konnten wir den Aufstieg der Faschisten in Frankreich mit Jean-Marie Le Pens Front National, die Zugewinne der British National Party in Großbritannien, den Aufstieg der FPÖ in Österreich und ähnlicher Kräfte beobachten. Doch es gab das Argument, dass Griechenland aufgrund der Erfahrung der Nazi-Besatzung während des zweiten Weltkrieges, des darauffolgenden Bürgerkriegs zwischen der Rechten und der Linken in den späten 1940er-Jahren und der Militärdiktatur 1967-1974 immun gegen den Faschismus sei. Diese selbstgefällige Sichtweise wurde durch den dramatischen Durchbruch der Goldenen Morgenröte bei den Wahlen 2012 zerstört. Welche wirtschaftlichen und politischen Bedingungen erlaubten diese Entwicklung?

PC: Um die Ereignisse von 2012 zu verstehen, muss man erkennen, dass es die faschistische Gefahr schon lange vorher gab. Die Nazis existierten seit den 1990er-Jahren als eine sehr kleine politische Randgruppe, die tätliche Angriffe organisierte. Doch zu Beginn der Wirtschaftskrise 2007-2008 sahen wir, wie die griechische Regierung und die Europäische Union Migranten und Flüchtlinge zu Sündenböcken erklärt und den Asyl- und Migrationspakt der Europäischen Union entwickelt haben. Das gab rechtsextremen populistischen Parteien und den Neonazis der Goldenen Morgenröte die Möglichkeit, die politische Landschaft nach rechts zu verschieben. In dieser Zeit, vor dem Aufstieg der Goldenen Morgenröte, zog eine islamophobe, rechtsextrem-populistische Partei namens LAOS (Λαϊκός Ορθόδοξος Συναγερμός „Orthodoxe Volksbewegung“) ins Parlament ein.1 Tatsächlich wurde KEERFA 2009 wegen dem Aufstieg von LAOS gegründet. LAOS versuchte, „Bürger“-Komitees gegen Flüchtlinge und Migranten aufzubauen. Die Goldene Morgenröte beteiligte sich schon damals an diesen gewalttätigen Angriffen auf Flüchtlinge und Migranten.

2010 erlebten wir die Einführung von Austeritätspolitik in Griechenland mit dem sogenannten Memorandum, das von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds auferlegt wurde. Die Arbeiterklasse antwortete auf diese Angriffe mit einer Reihe von Generalstreiks. Zur gleichen Zeit begann der Prozess einer politischen Krise. Zur Durchsetzung der Memoranden bildeten die neoliberale konservative Partei Nea Dimokratia und die sozialdemokratische Partei PASOK 2011 eine Koalitionsregierung, der LAOS ebenfalls beitrat.
Das war der Moment, in dem der Grad der sozialen Polarisierung und die Instrumentalisierung von Rassismus durch die Regierung der Goldenen Morgenröte Raum gaben. Mit der Bloßstellung von LAOS durch die Beteiligung an der Austeritätsregierung witterten die Nazis die Chance, sich als echte Opposition zu präsentieren.

Die Goldene Morgenröte versuchte, den vorhandenen Rassismus weiter zu radikalisieren, indem sie Sturmbataillone in Teilen Athens aufstellte. Ohne die Unterstützung der Polizei wäre es natürlich unmöglich für sie gewesen, auch nur das Viertel Agios Panteleimonas zu kontrollieren, das erste Gebiet, in dem sie eine Basis zu errichten versuchten. Dort konnten sie das erste gemeinsame Komitee mit LAOS-Mitgliedern bilden, mit dem sie Unterstützung in der lokalen Bevölkerung zu gewinnen versuchten, um Migranten rauszuwerfen.

Aber diese Entwicklungen fanden während einer allgemeinen Linksverschiebung statt. Der Widerstand der Arbeiter eskalierte, hunderttausende, vielleicht Millionen streikten und demonstrierten. Wir erlebten den Einbruch der traditionellen Parteien, sowohl von Nea Demokratia als auch von PASOK. 2009 erhielten die beiden Parteien zusammen 80 Prozent der Stimmen, 2012 waren es nur noch 42 Prozent.

Davon profitierte die linke Partei Syriza. Sie erhielt 2009 weniger als 5 Prozent der Stimmen, legte aber im Juni 2012 schlagartig auf fast 27 Prozent zu. Es gab also eine Verschiebung nach links, nicht nach rechts. Es gab aber auch eine starke Polarisierung, und das bedeutete auch, dass die Goldene Morgenröte ins Parlament einziehen konnte. Die sich vertiefende Wirtschaftskrise, der Einbruch der traditionellen herrschenden Parteien und die Instrumentalisierung von Rassismus durch die Regierung öffneten den Nazis die Türe.

Unter dem Deckmantel der Kontrolle des Einwanderungsstatus wurde mit einer Polizeioperation begonnen. Der Staat gab ihr den Namen „Operation Xenios Zeus“, ein Euphemismus, denn „Xenios“ bedeutet, Fremde willkommen zu heißen und Gastfreundschaft, keine Attacken mit Tausenden von Polizisten. Über 100.000 Menschen wurden einer Leibesvisitation unterzogen, 6.000 landeten in einem berüchtigten Gefängnis. Dieser ganze Prozess ebnete den Weg für eine Welle von Pogromen und rassistischen Attacken, ebenso wie für die Ermordungen von Shahzad Luqman im Januar 2013 und von Pavlos Fyssas im Dezember 2013.

Die Wahlerfolge der Goldenen Morgenröte bedeuteten eine Eskalation der faschistischen Gefahr in Griechenland. Mit ihrem Einzug ins Parlament erhielt die Goldene Morgenröte Geld vom Staat, und sie verwendeten es, um in ganz Griechenland aufzubauen. Sie eröffneten mehr als 50 lokale Büros in verschiedenen Städten. Sie verwendeten diese als Stützpunkte zur Koordination ihrer Hassattacken und -kampagnen gegen Flüchtlinge.

Die Goldene Morgenröte forderte, dass Flüchtlingskinder keine öffentlichen Kindergärten besuchen durften. Sie forderten die Bürgermeister auf, ihnen die Namen der Kinder zu geben, damit sie sie aus den Kindergärten werfen konnten. Sie versuchten auch, eine Kampagne mit der Parole „Blut nur für Griechen“ zu organisieren: Gruppen von Nazis gingen in Krankenhäuser, spendeten Blut und forderten dann, dass es nur griechischen Patienten zukommen sollte. Natürlich wurden sie rausgeworfen.

Sie starteten auch eine Kampagne zur kostenlosen Verteilung von Essen „nur an Griechen“, die sich auf das Zentrum Athens konzentrierte, und organisierten physische Angriffe, bei denen sie Moscheen in Brand steckten und Geschäfte von Migranten verwüsteten.

MT: Wenn wir uns in Europa umschauen, dann haben viele faschistische Parteien einen Durchbruch gemacht. Der Front National (jetzt Rassemblement National) in Frankreich und die FPÖ in Österreich zum Beispiel sind überwiegend Wahlorganisationen und versuchen, seriös zu erscheinen. Ihre Bemühungen, einen paramilitärischen Flügel aufzubauen, waren viel begrenzter. Also war eine der Gefahren, die von der Goldenen Morgenröte ausgingen, dass sie eine paramilitärische Organisation war, die wie Hitler und die Nazis in den 1930er-Jahren einen Durchbruch bei den Wahlen machte. Und die Wahlerfolge der Goldenen Morgenröte bedeuten, wie du betont hast, keine Abkehr von der paramilitärischen Orientierung. Stattdessen versuchten sie, Zugewinne an der Wahlurne zu nutzen, um sie zu verstärken und zu vertiefen. Ohne Widerstand hätte die Goldene Morgenröte ein internationales Leuchtfeuer werden können. So hätte sie die Verhärtung anderer faschistischer Strömungen befeuern und zeigen können, dass man mit Stimmen Schlägerbanden und mit Schlägerbanden Stimmen schaffen kann. Kannst du mehr über die Strategie der Goldenen Morgenröte sagen? Wie präsentierte sie sich? Mit welcher Botschaft versuchte sie, Unterstützung zu gewinnen?

PC: Sie stellten sich hauptsächlich als griechische Nationalisten und Gegner der Verwandlung des Landes in eine Schuldenkolonie deutscher Banker da. Sie machten oft Gebrauch von antisemitischer Rhetorik. Dabei attackierten sie die Linke als Agentin von George Soros und Nichtregierungsorganisationen, denen sie die Schuld für eine „Invasion“ Griechenlands durch Migranten gaben. Dieser Rassismus wurde durch Angriffe gegen die „Islamisierung“ Griechenlands ergänzt — ihre Parole war „Athen wird zu Kabul“. Sie attackierten die politischen Kräfte, denen sie vorwarfen, Griechenland durch die Öffnung der Grenzen verraten zu haben, und attackierten die Linke, indem sie behaupteten, dass Streiks die Wirtschaft zerstörten und ähnliches.

Sie versuchten ihre Kräfte also hauptsächlich durch Rassismus und Islamophobie aufzubauen. Die paramilitärischen Einheiten waren hauptsächlich gegen Migranten und Flüchtlinge gerichtet, aber natürlich auch gegen die Linke. Als Basen dienten den Paramilitärs die örtlichen Büros. Zum Beispiel in Nikaia, im Bezirk Piräus.2 Von dort kam die Einheit der Goldenen Morgenröte, die Pavlos Fyssas ermordete. Sie hatte sich mit 20 Motorrädern vor den örtlichen Büros der Goldenen Morgenröte versammelt, bevor sie sich aufmachte, ihn zu töten.

Sie nutzten diese lokalen Büros, um ihre Paramilitärs aufzubauen, und das vor den Augen der Öffentlichkeit. Die Beziehungen zwischen der Goldenen Morgenröte und der Polizei waren ein Skandal. Die ganze Zeit über deckte die Polizei ihre Taten. Ein Migrant konnte unmöglich zur Polizeistation gehen und sagen: „Ich möchte gegen die Person klagen, die auf mich eingestochen hat“. Die Polizei würde sie einfach rauswerfen. Sie attackierten sogar die Anwälte der Migranten vor den Polizeistationen. Die Polizei war bei vielen Attacken der Goldenen Morgenröte präsent. Aber sie tat nichts, um sie zu stoppen. Sie war anwesend bei der Ermordung von Pavlos Fyssas, er wurde vor ihren Augen ermordet. Sie stellte sich also hinter die Goldene Morgenröte.

Auch gab es Beziehungen zwischen Nea Dimokratia und der Goldenen Morgenröte.3 Es gab Diskussionen zwischen dem Sekretär der ND-Parlamentsfraktion und Ilias Kasidiaris, dem damaligen Sprecher der Goldenen Morgenröte. Nea Dimokratia wollte die Unterstützung der Goldenen Morgenröte für ihre Gesetzesvorschläge. Wenn die Nea Dimokratia also heute von sich behauptet, am antifaschistischen Sieg beteiligt gewesen zu sein, dann ist das ein schlechter Witz. Nach der Ermordung von Pavlos Fyssas und dem letzten Vorgehen gegen die Nazis sprach der Minister für öffentliche Ordnung davon, 32 Fälle bezüglich der Goldenen Morgenröte an den Staatsanwalt zu leiten. Jeder von ihnen beinhaltete einen tätlichen Angriff der Goldenen Morgenröte. Aber sie saßen jahrelang auf diesen Fällen und gaben sie nicht zur Verfolgung frei. Ein Teil der griechischen herrschenden Klasse ebnete der Goldenen Morgenröte den Weg. Sie gaben ihr Geld und den Raum, Gewerkschaften zu attackieren, speziell in den Werften, wo die Gewerkschafter der Kommunistischen Partei attackiert wurden.

MT: Die Bosse der Werften unterstützen sie direkt und gaben ihnen Geld?

PC: Ja, und auch manche Verleger. Man sah Geschichten in den Medien darüber, wie menschenfreundlich die Goldene Morgenröte sei. Es gab ein bekanntes Foto mit einer älteren Frau, die Geld von einem Automaten abhebt und dabei von einem Mitglied der Goldenen Morgenröte eskortiert wird. Er behauptete, er würde sie vor Migranten schützen, die ihre Rente stehlen wollten. Tatsächlich war sie die Mutter des Mitglieds, alles war gestellt.

MT: Von welchen Teilen der griechischen Gesellschaft bekam die Goldene Morgenröte Stimmen und Unterstützung?

PC: In politischer Hinsicht kamen die Stimmen für die Goldene Morgenröte von traditionell rechten Wählern. Die Goldene Morgenröte erbte die Stimmen von LAOS, deren Rückhalt nach ihrer Regierungsbeteiligung einbrach. Das galt für einen großen Teil der Stimmen für die Goldene Morgenröte. Ein weiterer Teil der Stimmen kam von Nea Dimokratia. Ich würde sagen, dass sie PASOK nur einen kleinen Prozentsatz ihrer Unterstützung wegnahm. In gesellschaftlicher Hinsicht wurden natürlich Teile des Kleinbürgertums wie kleine Ladeninhaber im Zentrum Athens ruiniert, und manche von ihnen wandten sich der Goldenen Morgenröte zu. Und Teile des Staatsapparats wählten sie. Das Militär, die Polizei und die Spezialeinheiten der Polizei wählten alle in separaten Wahllokalen, und so wissen wir, dass die Goldene Morgenröte 55 oder 60 Prozent ihrer Stimmen bekam.

MT: Wir hatten es also mit einer Radikalisierung der rechten Wählerschaft zu tun?

PC: Ja, aber die Goldene Morgenröte erhielt auch Stimmen in den Arbeitervierteln von Athen und Piräus, und das war gefährlich. Es waren nicht überdurchschnittlich viele, aber dennoch war es eine große politische Herausforderung für die Linke.

MT: Also drohte die Goldene Morgenröte in der Arbeiterklasse Fuß zu fassen?

PC: Sie versuchten, aus dem Zentrum Athens auszubrechen und in Orte wie Nikaia und Perama vorzudringen. Ich würde sagen, dass das den Anstieg der faschistischen Gefahr für die Gewerkschaften bedeutete. Ihre Strategie bestand darin, sich als politische Partei zu etablieren und dabei den paramilitärischen Flügel zu erhalten. Sie versuchten, sich als Beschützer der Griechen gegen Migranten darzustellen. 2012 und 2013 versuchten sie, eine stärkere Nazipartei aufzubauen. Sie waren bereits die drittgrößte Partei, nach Nea Dimokratia und Syriza. Vor der Ermordung von Pavlos Fyssas dachten sie, sie könnten bei Wahlen auf 20 Prozent zulegen und die übrigen Rechten überholen. Der Widerstand war entscheidend, um das zu verhindern. Der Arbeiterwiderstand gegen die Austerität war nicht genug. Wir brauchten zusätzlich einen spezifisch antifaschistischen Kampf.

Tabelle 1: Ergebnisse der Goldenen Morgenröte bei allgemeinen Wahlen

Jahr

Stimmen

Stimmenanteil (%)

Sitze

Platz

1996

4,537

0.1

0

14

2009

19,636

0.3

0

10

Mai 2012

440,966

7.0

21

6

Juni 2012

426,025

6.9

18

5

Jan 2015

388,387

6.3

17

3

Sept 2015

379,581

7.0

18

3

2019

165, 709

2.9

0

7

MT: Es gab den Versuch, die Niederlage der Goldenen Morgenröte als Bestätigung der vorherrschenden Mitte gegen die „Extremisten“ darzustellen. Dieses Narrativ verbirgt die Komplizenschaft der Nea Dimokratia und des Staates, aber auch die Schlüsselrolle der antifaschistischen Massenbewegung, die gegen die Nazis zielte und ihnen schließlich das Genick brach. Könntest du uns etwas sagen über die Dynamik dieser Bewegung, über die Rolle von KEERFA und ihre Strategie, eine Einheitsfront gegen die Faschisten aufzubauen?

PC: Diese Behauptung, Antifaschismus sei Teil der DNA der liberalen Demokratie, ist lachhaft. Tatsächlich waren es die griechischen Gerichte, die der Goldenen Morgenröte das Recht gaben, an Wahlen teilzunehmen. Die Goldene Morgenröte war nicht irgendeine unbekannte Gruppe. Zum Beispiel musste sie 2006 ihre Aktivitäten einstellen, um der Verfolgung zu entgehen, nachdem sie von dem Balkon ihrer Büros auf Demonstranten schossen. Während eines Gerichtsprozesses 1998 gegen Mitglieder der Goldenen Morgenröte, die Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterpartei (SEK) zwei Jahre zuvor tätlich angegriffen hatten, wurde ein Studentenaktivist attackiert und für zwei Monate ins Koma versetzt. Die Verantwortlichen für die Attacke wurden zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt, und es gab eine Entscheidung griechischer Gerichte, die Goldene Morgenröte als Verbrecherbande zu verurteilen. Verblüffenderweise entging der Befehlshaber dieses Angriffs der Festnahme durch die Polizei und entzog sich jahrelang seiner Gefängnisstrafe. Der politische Apparat wusste also sehr wohl, dass die Goldene Morgenröte eine kriminelle Nazibande war. Wie war es also möglich, ihr gerichtlich zu erlauben, sich an Wahlen zu beteiligen?
Bei der Deckung der Handlungen der Goldenen Morgenröte spielte die Polizei eine zentrale Rolle. Ohne sie hätte die antifaschistische Bewegung die Nazis ab 2007 zerschlagen. Sie konnten sich den Antifaschisten unmöglich in den Weg stellen. Wir waren in der Überzahl und hätten ihnen eine Niederlage beigebracht. Aber die Polizei schützte sie immer. Viele Antifaschisten wurden von der Polizei attackiert und vor Gericht gebracht.

Als die Goldene Morgenröte 2012 ins Parlament einzog, wurden wir mit heftigen Auseinandersetzungen konfrontiert: „Warum sagst du, dass sie keinen Raum im griechischen Fernsehen bekommen sollen? Sie sind eine politische Partei. Warum sollen sie keine Sitze im Parlament oder in den Gemeinderäten haben?“ Wir lehnten diese Argumente ab, aber das neoliberale System tat das nicht. Es war ein politischer Kampf nötig, um die Faschisten zu isolieren, und der begann damit, die Goldene Morgenröte als Nazis zu benennen. Entscheidend war, dass die SEK lange vor dem großen Durchbruch der Goldenen Morgenröte mit dem Aufbau einer antifaschistischen Bewegung gegen sie anfing. Wir haben nicht gewartet, bis sie große Zugewinne verbuchte. Wir begannen 20 Jahre vorher, in den 1990er-Jahren.

Ich erinnere mich an 1992, als es eine große nationalistische Kampagne wegen Mazedonien gab. Der griechische Staat besteht darauf, dass „Mazedonien griechisch ist“ – und nur griechisch.4 Es gibt in Griechenland eine mazedonische Minderheit, und wir unterstützten sie, wie auch die türkische Minderheit, gegen nationalistische Attacken. Fünf unserer Mitglieder wurden sogar strafrechtlich verfolgt wegen der Veröffentlichung eines Buches, Die Mazedonische Frage, der Balkan und die Arbeiterklasse. Die Nazis attackierten unsere Partei, damals mit dem Namen Organisation Sozialistische Revolution, insbesondere wegen unserer Unterstützung für das Recht der Mazedonier, sich Mazedonier zu nennen. Die ganze Zeit hindurch organisierten wir uns gegen die Faschisten.

1998 organisierte die SEK die Kampagne „Stoppt Haider“. Wir sahen den Aufstieg von Jörg Haider und der Freiheitlichen Partei Österreichs als eine Gefahr, die den Faschisten hier in Griechenland Auftrieb geben konnte. Es gab wenige Faschisten. Wir wussten aber, dass es angesichts der rassistischen Stimmung mehr werden konnten. Unsere Tradition, uns gegen die Faschisten zu organisieren, reicht also viele Jahre vor ihrem großen Schritt nach vorn zurück.

Warum? Zunächst bedeutete unsere Faschismusanalyse, die faschistische Bedrohung nicht erst zu erkennen, wenn sie ins Parlament einziehen oder ganze Landstriche kontrollieren, sondern bereits, als sie ihre ersten Attacken auf Gewerkschafter, die Linke, Migranten, Flüchtlinge und andere organisierten. Mit dieser Methode bauten wir auf.

Zweitens setzten wir auf die Tradition von Leo Trotzki. Er schrieb von der Notwendigkeit einer Einheitsfront, um Hitlers Nazis zu schlagen. Diese Tradition beinhaltet wichtige Lehren für Revolutionäre heute. KEERFA war so eine Einheitsfront. Sie brachte Aktivisten und Aktivistinnen von Gewerkschaften, linken Parteien wie Syriza und migrantischen, muslimischen und LGBT+-Communities zusammen. Diese Methode war entscheidend, um die Nazis zahlenmäßig zu übertreffen. Zwischen 2007 und 2012 unterschätzten große Teile der Linken die faschistische Bedrohung. SEK wurde sogar von manchen Linken kritisiert, wir würden den Nazis eine Bühne geben.

MT: Also war dieser Ansatz innerhalb der Linken umstritten?

PC: Ja. Manche waren sehr kritisch, als wir mit der Organisation antifaschistischer Aktionen wie der Demonstration gegen den ersten rassistischen Protest der Nazis in Agios Pantelemonas begannen. Wir waren die einzigen Linken, nur ein paar Anarchisten haben uns unterstützt. Aber die pakistanische Gemeinde war von Anfang an auf unserer Seite. Ohne die pakistanische Gemeinde hätten wir in viele Gebiete nicht vordringen können. Aber am wichtigsten war die organisierte Arbeiterklasse – Lehrer, Krankenhausarbeiter, Ärzte, die Gewerkschaft der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und andere. Es war sehr mühselig, in den Gewerkschaften aufzubauen, weil wir den Kampf gegen Faschismus mit dem gegen Rassismus und Islamophobie verbanden.

Wir bauten auf den Erfolgen der antikapitalistischen Bewegung in Griechenland seit der Zeit der gigantischen Proteste in Genua 2001 und der Antikriegsbewegung 2003. Wir organisierten Widerstandsaktionen gegen die Kriege in Afghanistan und Irak und kämpften gegen Islamophobie. Antirassismus war ein fester Bestandteil der riesigen Antikriegsbewegung. Diese politischen Errungenschaften der Vergangenheit haben wir in die antifaschistische Bewegung getragen, würde ich sagen. Deswegen konnte SEK, eine Organisation der revolutionären Linken, eine Einheitsfront wie KEERFA aufbauen, die Gewerkschaften, migrantische Communities und andere anziehen konnte, um die Nazis zahlenmäßig zu übertreffen.

MT: Nach dem Durchbruch der Goldenen Morgenröte 2012 stand KEERFA vor der Herausforderung, die Goldene Morgenröte überall dort zu entwurzeln, wo sie aufzubauen versuchte. Es wurde also eine Bewegung gebraucht, die in jeder Region Griechenlands präsent sein konnte. Ist KEERFA als Einheitsfront in dieser Zeit gewachsen? Haben sich neue Kräfte um KEERFA gesammelt?

PC: Es war verblüffend. Wir haben mit KEERFA 2009 begonnen, und sehr schnell hatten wir Ortsgruppen in über 70 Gebieten. Viele befanden sich in Athen und Umgebung, aber es war von Anfang an ein landesweites Netzwerk. Das war sehr wichtig, denn dieses landesweite Netzwerk konnte mit anderen antifaschistischen Bündnissen und lokalen Gruppen zusammenarbeiten, die sich parallel entwickelten. Bis 2012 und 2013 unterschätzte die Linke die Gefahr, aber nach der Ermordung von Pavlos Fyssas beteiligte sie sich. Bei diesem Teil der Linken gab es die Panik, dass es nicht möglich sei, die Nazis zu besiegen. Das Vertrauen von KEERFA in die eigene Strategie war also sehr wichtig. KEERFA war sowohl Herz als auch Kopf der Bewegung. Wir verstanden es, die großen politischen Entscheidungen zu treffen, die es brauchte. Nach den Wahlerfolgen der Goldenen Morgenröte war es wichtig, nicht panisch zu werden, sondern lokal aufzubauen und mit Gegendemonstrationen zurückzuschlagen. Das funktionierte. Die Goldene Morgenröte konnte nicht offen demonstrieren, um Leute anzuziehen, und konnte ihren Wahlkampf 2012 nicht aufbauen. Wir haben ihren Wahlkampf überall verhindert. Es war erstaunlich. Selbst, als sie in das Parlament eingezogen waren, konnten sie keine öffentlichen Versammlungen organisieren.

MT: Ihr konntet sie also aus dem öffentlichen Raum drängen, trotz ihrer Behauptung, wegen ihrer Präsenz im Parlament respektabel zu sein?

PC: Ja. Wir forderten außerdem, dass die Behörden, die in den Gemeinden für die Zuteilung von Räumlichkeiten – Hallen, Plätze, Wahlkiosks und dergleichen – an politische Parteien für Wahlveranstaltungen zuständig waren, diese der Goldenen Morgenröte verweigerten. Manchmal erreichten wir, dass der Goldenen Morgenröte diese Räume verwehrt wurden, sodass sie ihr jährliches „Festival der Jugend“ in Athen absagte.

Wichtig war auch, was in den Gewerkschaften passierte. Als die Nazis versuchten, die Flüchtlingskinder am Schulbesuch zu hindern, waren die Lehrer da, um sie zu registrieren. In den Krankenhäusern waren es die Ärzte der Gewerkschaft der Gesundheitsarbeiter, die die Nazis hinauswarfen. Im Krieg gegen die Nazis nahm die Arbeiterklasse in jeder Schlacht teil.

Wir forderten, dass die Nazis auf dem Staatssender ERT nicht erscheinen durften. Wir haben eine Kampagne dazu organisiert und wurden von der Journalistengewerkschaft unterstützt. Der Manager von ERT erklärte, er sei nicht verantwortlich, sondern ein Komitee, das die Medien auf Hassrede überprüft. Sie schoben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Die Gewerkschaft brachte die Lösung. Sie sagten einfach: „Jedes mal, wenn ihr die Nazis auf Sendung nehmt, werden wir streiken.“ Die Nazis klagten schließlich gegen die Gewerkschaft – und verloren. So erreichten wir eine Gerichtsentscheidung, die bedeutete, dass die Nazis nicht im Fernsehen erscheinen würden.

Die antirassistische Kampagne, die parallel zu all dem stattfand, war ebenfalls sehr wichtig. Es gab riesige Mobilisierungen gegen Rassismus. Als die Bosse einer Erdbeerfarm in Westgriechenland 2013 auf 30 Arbeiter aus Bangladesch feuerten, weil sie ihre ausstehenden Löhne einforderten, entfachte das eine große Mobilisierung. Wir organisierten einen Streik, der erste Streik und die erste Massenmobilisierung dieser Arbeiter. Das beendete den Terror in diesem Gebiet. Vorher konnten die Kommunistische Partei und die Gewerkschaften in dieser Region nicht arbeiten. Wir haben die Hindernisse aus dem Weg geräumt.

Wir rückten die antifaschistischen und antirassistischen Kämpfe in den Mittelpunkt. Drei Dinge waren entscheidend. Erstens, wie ich schon erläutert habe, die Einheitsfronttaktik.

Zweitens: Die zentrale Rolle der organisierten Arbeiterklasse. Das meinte mehr als einfach nur militante Linke, die Helme aufziehen und sich mit den Faschisten auf eigene Faust physische Auseinandersetzungen liefern. Wir lehnten diese Taktik ab. Wir sagten, dass wir Massenaktionen der Arbeiterklasse brauchten – und wir haben sie bekommen. Nachdem Pavlos Fyssas ermordet wurde, gab es einen Generalstreik. So konnten wir auch ohne das Einverständnis der Gewerkschaftsführungen eine antifaschistische Massendemonstration mit 60.000 Teilnehmern organisieren. Sie sagten, sie wollten ein Konzert organisieren. Wir sagten: „In Ordnung, macht euer Konzert. Habt eure Musik auf dem Syntagma-Platz. Aber wir werden zu dem Hauptquartier der Goldenen Morgenröte marschieren.“ Und das taten wir, mit 60.000 Teilnehmern. Das zwang die Regierung, drei Tage nach dem Generalstreik endlich gegen die Goldene Morgenröte durchzugreifen.

Am ersten Tag des Prozesses gegen die Goldene Morgenröte 2015 gab es einen Streik. Wir besetzten die öffentlichen Plätze im Gerichtssaal. Kein Unterstützer der Goldenen Morgenröte kam rein. Wir waren 3.000 Demonstranten vor dem Gefängnis um 8 Uhr morgens in einem abgelegenen Teil Athens. Und um 11 Uhr morgens am 7. Oktober 2020, dem Tag, an dem das Gericht schließlich seine Entscheidung bekanntmachte, versammelten sich Hunderttausende. Zuvor hatten die Gewerkschaft der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und viele andere zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Mobilisierung der Gewerkschaften, um die Nazis zu brechen, war also ein voller Erfolg.

Der dritte entscheidende Teil des antifaschistischen Kampfes war die rechtliche Verfolgung der Nazis, wann immer sie die Linke, Gewerkschaften und Migranten attackierten. Der Prozess gegen die Goldene Morgenröte stützte sich auf drei große Fälle – die Ermordung von Pavlos Fyssas, die Attacken auf die Gewerkschafter der Kommunistischen Partei und den Angriff auf die ägyptischen Fischer. Es wurde argumentiert, dass die Goldene Morgenröte eine kriminelle Organisation war und dass ihre Mitglieder in über hundert andere tätliche Angriffe involviert waren.

KEERFA schlug vor, dass es in dem Prozess eine Zivilklage der antifaschistischen Bewegung geben sollte. In griechischen Prozessen ist das nicht üblich. Normalerweise ist der Staat der Kläger, aber wir forderten und erreichten in diesem Prozess die Zivilklage. Es gab vier Anwälte der KEERFA in diesem Prozess, die die ägyptischen Fischer repräsentierten.

Es war sehr wichtig, die Nazis strafrechtlich zu belangen. Es gab eine große Auseinandersetzung darüber. Manche meinten: „Ach kommt! Was macht ihr, KEERFA? Zu den Gerichten und zum Staat gehen? Das öffnet die Tür für staatliche Angriffe auf die Linke!“. Aber das war falsch. Der Staat attackierte die Linke und die Gewerkschaften ohnehin schon und schützte die Nazis. Deshalb mussten wir anwesend sein, um alle diese Verbindungen zwischen den Nazis, der Polizei und dem Staat aufzudecken.

Sogar der Führer der Goldenen Morgenröte musste das während einer Konferenz zugeben. Ich meine, das war ungefähr 2017, als die Wahl Trumps der extremen Rechten in ganz Europa Auftrieb gab. Er wurde gefragt, warum die Goldene Morgenröte nicht stärker wurde, obwohl die extreme Rechte in ganz Europa einen Aufschwung erlebte. Und ihr Führer sprach von zwei Gründen. Erstens bedeutete der Prozess, dass sie ihre Legalität als Partei zeigen mussten und ihre Paramilitärs nicht einsetzen konnten. Zweitens wurden sie immer von der antifaschistischen Bewegung gestoppt, wenn sie öffentlich zu agieren versuchten. Wegen der Massenkampagne und durch die Mobilisierung vieler Kräfte, darunter örtliche Bürgermeister, Politiker von Syriza und sogar manche der Sozialdemokraten, entschieden wir den Prozess für uns.

SEK spielte eine wichtige Rolle. Im Vergleich dazu die Bilanz von Syriza in der Regierung: Ihr Umgang mit der Goldenen Morgenröte war ein institutionelles Versagen. Zoi Konstantopoulou, Parlamentspräsidentin nach dem Sieg von SYRIZA 2015, argumentierte, die Entscheidungen des griechischen Parlaments seien nicht legal, weil Parlamentarier der Goldenen Morgenröte im Gefängnis waren. Das war wirklich beschämend. Bei staatlichen Veranstaltungen zu symbolischen Nationalfeiertagen konnte man Parlamentarier der Goldenen Morgenröte zusammen mit linken Parlamentsmitgliedern sehen. Zu Recht standen wir diesem Ansatz von Syriza sehr skeptisch gegenüber.

Dank der Kampagne um den Prozess konnten wir zu einem Massenpublikum sprechen und die Wähler der Goldenen Morgenröte unter Druck setzen. Wir sagten: „Ihr wählt einen Kriminellen. Ihr wählt einen Mörder. Das ist keine Partei, die ihr benutzen könnt, um eure Wut auf das System auszudrücken.“ Alle diese taktischen Bausteine, die antifaschistische Bewegung, die antirassistische Bewegung, der Widerstand der Arbeiter und die Aktivität um den Prozess, hatten Erfolg. So erlebten wir, dass die Goldene Morgenröte bei der Wahl 2019 aus dem Parlament geworfen wurde. Diese Niederlage ermöglichte dem Gericht, sie für schuldig zu befinden und sie ins Gefängnis zu schicken. Mit ihnen im Parlament wäre es schwieriger gewesen. Danach erlebten wir die Spaltungen in der Goldenen Morgenröte. Sie waren nicht mehr stark genug für die Aufrechterhaltung einer kollektiven Strategie zu ihrer Verteidigung. Vor allem hatten sie kein Geld mehr. Ursprünglich hatten sie mehr als 60 Anwälte, bezahlt vom griechischen Parlament. Doch der Erfolg der Kampagne bedeutete, dass das Parlament sich entschied, ihnen kein Geld mehr zu geben.

MT: Hast du noch abschließende Gedanken zu der internationalen Bedeutung der Niederlage der Goldenen Morgenröte? Was sind die wichtigsten Lehren für Sozialisten, die anderswo gegen faschistische und rechtsextreme Kräfte kämpfen?

PC: Ich muss etwas ergänzen. Einer der Gründe für unseren Sieg war der Einfluss der Linken in Griechenland. Die Linke ist in Griechenland sehr stark. Ohne dieses Umfeld wäre es nicht möglich gewesen. Es ist sehr wichtig, wie man sich gegenüber der übrigen Linken verhält, selbst, wenn sie in die Regierung kommt. Es ist sehr wichtig, wie man an linke Menschen aus der Arbeiterklasse herantritt. Meiner Meinung nach dreht sich alles um die Einheitsfront und die Aktion der organisierten Arbeiterklasse. Man kann gewinnen, indem man zeigt, dass die Nazis keine normale politische Partei sind, sondern eine paramilitärische Verbrecherbande. Und man muss ihnen nachstellen – sogar bis in den Gerichtssaal.

Letztendlich ist das in dieser Periode großer Krisen nicht das Ende. Selbst mit dem größten Sieg können wir uns nicht damit zufriedengeben, dass das das Ende dieser Angelegenheit wäre. So argumentieren wir jetzt. Wir sind zur nächsten Etappe für die antifaschistische Bewegung übergegangen. Eine andere rechtsextrem-populistische Partei, Griechische Lösung, konnte ins Parlament einziehen. Sie ist eine Abspaltung von LAOS, geführt von Kyriakos Velopoulos, und nationalistisch, islamophob und so weiter. Und auf den Inseln, wo die Regierung die Grenzen schließt, gibt es noch immer aktive Nazigruppen. Sie ermorden Flüchtlinge und attackieren die Linke und die Flüchtlingssolidaritätsbewegung.

Wir haben die Sache also noch nicht hinter uns. Wir müssen die antirassistische Bewegung weiter aufbauen. Sonst wird sich den Nazis wieder ein neuer Weg auftun. Die Nea-Dimokratia-Regierung bedient sich der Rhetorik des ungarischen Premiers Viktor Orban. Sie spricht von dem Austausch der griechischen Bevölkerung durch Migranten. Muslime „fallen ein“, und die Flüchtlinge seien Spione des türkischen Präsidenten Erdogan. Griechenland und die Türkei konkurrieren um Gas im Mittelmeer. Das befeuert giftige, nationalistische und rassistische Rhetorik. Es ist also sehr wichtig, dass wir die antirassistische Bewegung aufbauen.

Wichtig ist aber auch, die sozialistische Alternative gegen die Faschisten aufzubauen. Der Faschismus hat seine Wurzeln im System. Wenn es Angst hat, öffnet es sich ihnen sehr stark. Wir müssen weiterhin auf unseren großen Erfolg vom 7. Oktober bauen.


Petros Constantinou ist Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SEK), Athener Stadtrat und Koordinator der Bewegung gemeinsam gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung (KEERFA).


Anmerkungen

1 LAOS erhielt 3,8 Prozent der Stimmen bei den allgemeinen Wahlen von 2007 und damit 10 Parlamentssitze. Zwei Jahre später legte sie auf 5,6 Prozent und 15 Parlamentssitze zu.
2 Piräus ist ein größeres Hafenviertel am Rande Athens.
3 Nach den Wahlen von 2012 bildete Nea Dimokratia eine Regierung unter der Führung von Antonis Samaras.
4 Nach dem Zerfall von Jugoslawien 1991 bis 1992 stellte sich der griechische Staat gegen das Recht eines der neuen unabhängigen Nachfolgestaaten, sich Mazedonien zu nennen. Jahrelang wurde er als Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien bezeichnet. Heute wird er Nordmazedonien genannt.